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  • Wächter der Nacht

mehr als 1000 Beiträge seit 06.12.2007

Elektrokraampftherapie - die Fakten

Wie zu befürchten war, wenn die Wörtchen Depression und EKT
(Elektrokrampftherapie) in einem Text vorkommen, gibt es
Missverständnisse, Vorurteile und andere Formen der Unwissenheit.
Muss ja nicht selbstverschuldet sein, sondern kommt einfach vom
falschen Bild, das diese Form der Therapie in der Öffentlichkeit hat.

Die Fakten:
1. EKT heute hat nichts mit der Elektroschock-Therapie früherer Tage
zu tun. "Einer flog übers Kuckucksnest" ist längst vorbei.
2. EKT ist bei einer chronifizierten Depression in Phasen einer lang
anhaltenden major depression (und ein paar wenigen anderen
Indikationen!) die allerletzte Therapie, die zum Zuge kommt, wenn
definitiv nichts anderes mehr hilft (Pharmako- und Psychotherapie).
3. Die Nebenwirkungen einer EKT-Behandlung rühren weniger von der EKT
selbst, sondern von den Narkosen her. Richtig gelesen: eine EKT wird
ausschließlich unter Narkose angewandt. Wie gesagt, "Einer flog..."
ist längst Geschichte.
4. EKT wirkt. Nicht nach der ersten Sitzung, sondern nach einer
Behandlungsdauer von 8 -12 Sitzungen. Aber sie wirkt. Das
mitzuerleben, wie jemand mit einer schwersten Depression "aufwacht"
aus seiner krankheitsbedingten Starre, lässt jegliche Kritik
verstummen, außer wenn jemand seine eigene Ideologie (EKT = böse)
über alles stellt. Dagegen hilft allerdings nichts.
5. EKT wird in D sehr,sehr selten angewandt, ca. 1000 mal im Jahr (in
den USA in Relation dazu 30 mal mehr!). 
6. Entgegen landläufiger Meinung ist man sehr wohl den
Wirkmechanismen auf der Spur. Aber bei psychiatrischen Erkrankungen
gestaltet sich dies nun mal sehr schwierig: der Kopf lässt sich
einfach nicht so ohne weiteres aufbohren und schwerer untersuchen.
Und so ganz lässt sich unser menschliches Gehirn nun mal nicht mit
Laborratten vergleich. ;-)
7. Dosis facit venenum. Im vorliegenden Fall des Taser induzierten
epileptischen Anfalls gegenüber der EKT werden mal wieder Birnen mit
Äpfeln verglichen, nur weil beides irgendwie mit Strom zu tun hat.
Auf der einen Seite steht eine umfassend diagnostizierte, überwachte
und individuell angepasste Anwendung im Rahmen einer klinischen
Therapie; auf der anderen der zufällige, nicht reproduzierbare und
unkontrollierte Treffer eines Tasers, wobei nicht alle technischen
Details offen gelegt sind:
EKT - 900 mA nicht gepulst, bei einer Dauer von 0.5 bis 8 Sekunden
(weitere Details dazu im zweiten link unten)
Taser: offiziell bis 3300 mA, einzelne Taser bis zu 3900 mA eines
gepulsten Stroms. Über die Dauer der Anwendung entscheidet der
Benutzer des Tasers.

Fazit:
Wer bei dieser Sachlage Taser und EKT in einen Topf schmeißt, hat
entweder keine Ahnung, ist leicht paranoid (in seiner Ablehnung der
derzeitigen Behandlung psychischer Erkrankungen), will seine bequemen
Vorurteile behalten oder tut dies aus ideologischen Gründen
(Scientology, Antipsychiatrie). Eine gewisse Faktenresistenz zeichnet
m.E. jede dieser Haltungen aus. 

Ein paar links zum Weiterlesen
zu EKT:
> www.bundesaerztekammer.de/downloads/EKT.pdf
> http://tinyurl.com/dl6dps
zum Taser:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29301/1.html
zu Depression:
> http://tinyurl.com/4fn3me
> http://tinyurl.com/a2yzmr

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