Nun muss man keineswegs auf einen der wichtigsten deutschen Staatsmänner, Otto von Bismarck, zurückgreifen , um Argumente dafür vorzulegen, dass es aus deutscher Sicht heraus strategisch unklug erscheint, eine erneute Konfliktsituation mit Moskau in Kauf zu nehmen oder gar aktiv anzustreben.
Man sollte in diesem Kontext überhaupt nicht auf Bismarck zurückgreifen weil zu seiner Zeit die Welt eine ganz andere war und anderes agieren erforderte. So war z.B. Frankreich zu Bismarcks Zeiten der "Erzfeind" der Elsaß-Lothringen wiederhaben wollte und primäres Ziel Bismarckscher Politik war dafür zu sorgen das Frankreich keinen Verbündeten gegen Deutschland fand. Heute hingegen ist Frankreich unser engster Verbündeter, ebenso wie fast all unsere Nachbarn. Keinen deutschen Kanzler plagen mehr die "cauchemar de coalition", die Alpträume vor den außenpolitischen Allianzen die Bismarck und seine Nachfolger haben mussten.
Und Russland? Vergleicht man das Russland zu Bismarcks Zeit mit dem heutigen Russland ist das einzige Tragödie. Zu Bismarcks Zeit war Russland die potentiell stärkste Macht der Welt, die größte Bevölkerung, Fläche, Ressourcenreichtum etc. Einzige das Zarentum hielt Russland zurück und das würde sich früher oder später reformieren oder verschwinden. Und dann kam der 1. Weltkrieg und 20 Mio. Tote. Danach die Revolution und der Bürgerkrieg mit Millionen von Toten und Flüchtlingen. Danach die Säuberungen unter Stalin, die wieder viele in die Flucht trieben und dann schließlich der 2. Weltkrieg mit 27 Millionen Toten. Am Ende der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts war Russland nur ein Schatten der Macht die es vorher gewesen war. Und immer noch zweitstärkste Macht der Welt, wenn auch hinter den USA. Diese waren zwar schwächer gestartet aber die eine Weltmacht die sich aufgrund ihrer geografischen Lage ungestört entwickeln konnte. Die zweite Hälfte des 20 Jahrhunderts war für Russland zwar besser, aber gut lief es immer noch nicht. Der Kalte Krieg und der Konkurrenzkampf gegen die USA plus Westen banden zu viele Kräfte unproduktiv im Rüstungsbereich. Der Zerfall der Sowjetunion 1991 tat dann sein übriges.
Bezüglich Russland mit Bismarck zu argumentieren ist ungefähr genauso sinnvoll wie Großbritannien heute als Empire zu bezeichnen. Oder zu meinen dessen Armee könne man von der Berliner Polizei festnehmen lassen (auch ein Zitat Bismarcks).
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