Russland war und blieb "der Feind"
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die USA waren nach 2001 außenpolitisch mit in ihrem unsinnigen "Krieg gegen den Terror" absorbiert und sahen dabei in Russland naiverweise sogar einen Verbündeten. Obama wollte gemeinsam mit den Russen alle Atomwaffen abschaffen - das spricht eher für realitätsferne Vorstellungen über die geopolitischen Traditionen, in denen sich ein Putin bewegt, als für Feindschaft.
Die Folge war die Annexion der Krim und die Quasi-Annexion des Donbass 2014. Reaktion der Amerikaner: ein paar Sanktiönchen und später Hilfe für die Ukraine beim Aufbau einer modernen Armee, die sich jetzt auszahlt. Als dann noch eine massive Aufrüstung Russlands mit modernen taktischen Atomwaffen in Europa begann (heutiges Zahlenverhältnis etwa 2000:100), da dämmerte den Amerikanern dass hier massiver Ärger ins Haus stand und Krim und Donbass nur ein erster Schritt zur Restauration der alten Sowjetunion unter russischer Flagge und ohne sozialistischen Überbau gewesen waren.
Die Amis stiegen aus dem INF-Vertrag aus, den Russland längst ausgehebelt hatte und unternehmen große Anstrengungen den technologischen Vorsprung der Russen auf dem Gebiet moderner Erstschlagwaffen aufzuholen. Den bräsigen Europäer (allen voran die Deutschen) dämmert erst jetzt allmählig, welche Möglichkeiten Russland hier erworben hat und wie es dieses Potenzial politisch zu nutzen gedenkt.
Trotzdem hätten die Amis in der Ukraine eine Einigung auf einen Status quo mit ein paar Zugeständnissen einem riskanten Stellvertreterkrieg sicherlich vorgezogen, weil sie sich eigentlich auf die kommende strategische Auseinandersetzung mit China fokussieren wollen. Auf dem Nebenkriegsschauplatz mit der "Regionalmacht" (Obama) Russland hätten sie sicherlich lieber Ruhe gehabt. Aber Russland war offensichtlich mehr auf eine propagandawirksame Demütigung (Übergabe eines schriftlichen Katalogs mit Maximalforderungen, der nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden konnte) als auf eine Einigung aus und so nahm das Unheil seinen Lauf.
Aus dieser Logik ergibt sich auch das erklärte Kriegsziel der USA, Russland die Mittel für solche Störungen der "pax americana" wegzunehmen um eine Wiederholung ein für allemal auszuschließen. An Russland selbst haben die Amis null Interesse. Putins imperialistisch-territoriale, historisch irgendwo im 17. oder 18. Jahrhundert zu verortenden Denkweise ("wir nehmen uns nur, was uns gehört") wird in Amerika nicht verstanden, sie haben dort keine Tradition. Amerika wurde nie erobert (von den Ureinwohnern einmal abgesehen), sondern erschlossen, der letzte (und einzige) Krieg, bei dem es um Land ging, liegt 175 Jahre zurück (Amerikanisch-mexikanischer Krieg 1848) und ist aus dem kollektiven Gedächtnis der Amerikaner völlig verschwunden. Amerika führt Krieg um Einfluss und um seine Regeln durchzusetzen, nicht um Territorium zu erobern.