Vorarbeiter schrieb am 23.02.2022 21:25:
Unsere Gesellschaft ist geldzentriert, leider. Aber der Tag ist nahe, wo dieses Mittel abgelöst werden wird.
Unser großes Problem ist das Nichtzufriedensein mit dem, was wir besitzen. Es kann niemals genug sein, besonders wenn wir uns mit anderen vergleichen (und das tun wir in der Regel mit denen, deren Besitz den unseren übersteigt). Es sind mehr oder wenig ausgeprägte Formen von Gier, um es mal beim Namen zu nennen. Und es ist zu kurz geschaut, wenn wir meinen, Gier wäre eine Eigenschaft nur derer, die über unermeßlichen Besitz verfügen (die es sich darüberhinaus leisten können, mit Hilfe ihres Besitzes Macht auf unterschiedliche Weise auszuüben).
Im Grunde genommen ist das Besitzstreben das Übel, dem beinahe alles menschliche Handeln zugrundeliegt (und die Weichen dafür wurden mit Beginn der Arbeitsteilung gestellt). Unser Wertekodex beschränkt sich im Wesentlichen auf die Anhäufung von finanziellen Mitteln und materiellen Dingen, unser Kosumverhalten. Werte wie Gesundheit gewinnen erst in fortgeschrittenen Alter an Wertschätzung, wo unser Arbeits(Karriere-)weg längst beschritten wurde, wo wir uns längst eingerichtet haben in unserer Gesellschaft.
Zugegeben: Das liest sich wie eine sehr verallgemeinerte Form der Darstellung, die durch die Verwendung des "wir" jeden darin einschließt (und es ist eine Zuschreibung, die vor allem auf die Bewohner der "westlichen" Welt zutrifft). Dennoch ist es in der Summe genau dieses Besitz-, und Konsumverhalten, dieses Streben im Bereich der Wirtschaft nach ständiger Steigerung von allem (was wir "Fortschritt" nennen), die uns einen Großteil der Probleme eingebracht haben, mit denen wir uns in zunehmendem Maß konfrontiert sehen.
Die Frage bei solchen Themen ist immer: Gut, wir haben erkannt, welche schädlichen Auswirkungen unser Verhalten hat - aber was ist eine Alternative dazu? Etwas zu kritisieren fällt nicht schwer (ist aber auch völlig legitim) - aber wo sind realistische Gegenvorschläge?
Abkehr davon? Ich wüßte nicht, wie. Utopien wie der Kommunismus oder eine Gesellschaft nach den Vorstellungen eines Gene Roddenberry ("Star Trek - The Next Generation") sind momentan mit dem Typ Mensch,wie wir ihn verkörpern, nicht ansatzweise zu verwirklichen.
Nein, es gibt momentan kein Äquivalent dafür. Ein Ansatz dafür wäre ein Wertekodex wie wir es von Bhutan kennen (Bruttonationalglück), aber der ist bei uns aus mehreren Gründen nicht verwirklichbar. Auch ein Zurück zu den Ursprüngen des Besitzdenkens ist ausgeschlossen. Das würde bedeuten, daß jeder all das, was er für sein Leben braucht, selbst produziert und auf niemanden anderen angewiesen ist (doch dafür müßten wir sogar die Landwirtschaft aufgeben und wieder zu Jägern und Sammlern werden, denn Land ist Besitz...). Damit wären aber auch die zahlreichen Bereiche wie Gesundheitswesen, Feuerwehren, Straßendienste, ... obsolet. Wir leben nun mal nicht wie damals in kleineren Familienverbänden, sondern in einer heterogenen Gesellschaft.
Es ist nicht möglich, unsere Ansprüche auf das Maß und den Umfang von damals zu beschränken. Und so sind wir auf fatale Weise in ein komplexes Netz von Abhängigkeiten eingebunden, und ich wüßte nicht, wie wir daraus ohne größeren Schaden entkommen könnten. Geben wir unser Konsum- und Besitzdenken auf, bricht die Wirtschaft (und damit auch der Staat) zusammen. Und welche schwerwiegenden Folgen eine angeschlagene Wirtschaft auf unser Leben hat, können wir gegenwärtig am eigenen Leib erfahren.
Das sind nur ein paar Gedankensplitter...