Selenokhod schrieb am 03.04.2017 10:48:
[...] man pendelt schließlich nicht zum Spaß sondern um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen.
Ich kenne in München eine Menge Menschen mit sehr guten Einkommen, die es sich nicht mehr leisten können oder wollen in der Stadt oder auch dem näheren Umland zu leben.
Richtig. In München wird das sehr krass deutlich.
Was fehlt ist eine Wohnungspolitik, die diesen Namen auch verdient. 2-3 Verdichtungsbauungen hier und dort lösen das Problem nicht mehr. Entweder es werden im großen Umfang Wohnungen gebaut (da sprechen wir eher von Stadtteilen) oder an der Situation ändert sich nichts. Offensichtlich gibt es aber mächtige Lobbyinteressen, die solchen Vorhaben sehr bewusst entgegenstehen.
Ich glaube nicht, dass die Wohnungspolitik hier Abhilfe schaffen kann, die Entwicklung von Arbeitsplätzen und Wohnraum folgt keiner allgemein nachvollziehbaren Logik.
Wenn die Pendelei immer teuer wird und die Firmen feststellen, dass die Verfügbarkeit von Wohnraum nahe der Arbeitsstelle ein wesentliches Kriterium für die Gewinnung erstklassiger Mitarbeiter ist, dann werden sie ein vitales Eigeninteresse entwickeln, entsprechenden Wohnraum anzubieten. Vorher nicht.
Über eine Verpflichtung von Unternehmen Telearbeitsplätze anzubieten könnte man m. M. durchaus nachdenken. Letztlich sparen auch die Unternehmen daran (weniger Bürofläche, ...). Ist aber wie gesagt nicht das Kernproblem.
Telearbeit funktioniert leider nur in wenigen Fällen. Da wo Unternehmen die Hierarchie verflachen, Tätigkeiten verdichten, Kreativität und laufende Abstimmung fordern werden informelle Kommunikationsprozesse wichtig. Und die sind bei Telearbeit nur schwer zu berücksichtigen. In anderen Unternehmen überwiegt Kontrollfetischismus.
Die Bürofläche ist leider kein effektives Argument, da sie im Verhältnis zu den Personalkosten eher ein unbedeutender Faktor ist. Und nicht zu vergessen der Showeffekt, mit dem sich ein Unternehmen durch seine Gebäude präsentieren will.
Solange das alles so schön funktioniert wie im Moment, es für Arbeitnehmer als selbstverständlich hinzunehmende Belastung angesehen wird, täglich 3 Stunden oder mehr zur und von der Arbeit zu pendeln und das sogar der Mineralöl- und Autoindustrie dient ist das gut für Deutschland. Und so werden alle Anstrengungen unternommen, dass es so bleibt.
Ob - so wie sich die Arbeitswelt heute darstellt - Firmenwohnungen eine Option wären ist eine andere Frage. Ähnlich wie beim Firmenwagen kommt es dann auch schnell zum geldwerten Vorteil, zudem ist bei einem Arbeitsplatzverlust nicht nur der Firmenwagen sondern auch gleich die Wohnung weg. Auch wenn es eine gute Möglichkeit für Unternehmen und Verwaltungen - grade in München - wäre, die Rekrutierung der Mitarbeiter zu vereinfachen und die Bindung zu verstärken.