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mehr als 1000 Beiträge seit 14.05.2003

Näherung

Leo_Plegger schrieb am 1. August 2003 10:36

> > Sophosaurus schrieb am 1. August 2003 2:44

> > Bereits ein Blick auf Ausschnitte des vorliegenden Filmmaterials
> > beweist zweifelsfrei, daß die tatsächliche Zahl der Opfer mindestens
> > 10 mal so hoch gelegen hat.

> Nein, dieser Blick beweist gar nichts, kann es nicht und muß es auch
> nicht.

angesichts der zeitgleich betroffenen Fläche führen Fluchtbewegungen
nicht mehr aus der betroffenen Zone. Folglich lässt sich aus Zahl und
Grösse der Gebäude ableiten, wieviele Betroffene sich darin befinden.
Fraglich ist, inwieweit die Verteilung auf unterschiedlich gefährdete
Bereiche unterschiedliche Überlebenswahrscheinlichkeiten produziert.

Würden Bunker, Keller oder Freiflächen gute Überlebenschancen bieten,
wäre die Schätzung schwierig, weil es keine gesicherten Daten über
die Verteilung gibt.

Ich gehe aber anhand der Schilderungen von Augenzeugen und der
Filmaufnahmen nicht davon aus. Es gab weder in Bunkern, noch in
Kellern oder auf Freiflächen eine nennenswerte Überlebenschance.
Darum halte ich Opferzahlen von etwa 200.000 - 300.000 für
realistisch.

Von Leichen inmitten entsprechender Gebäudetrümmer nach mehrstündiger
Einwirkung von Temperaturen der hier anzunehmenden Grössenordnung
bleibt kaum zählbares und wer hätte zählen sollen?

> Dresden sah nach den Angriffen so aus wie Hamburg, Köln oder Tokyo.
> Dort haben bis zu 40.000 Menschen bei jeweils einem alliierten
> Angriff ihr Leben verloren. Die dir zu niedrig erscheinenden Zahlen
> haken sich also sehr wohl in der Realität ein. Was die Einschätzung
> schwierig macht ist die Anzahl der Flüchtlinge; niemand, auch du
> nicht, weiß, wieviele wirklich in der Stadt waren und zu Tode kamen.

Wo Zerstörungen durch mehrere Bombardierungen zustandekamen, mag der
Eindruck der Gesamtfläche ähnlich sein. Bei flächenmässig begrenzten
Bombardierungen kann aber ein Grossteil der Bewohner aus unmittelbar
angeflogenen Zonen in benachbarte Bereiche ausweichen, bevor
Feuersturmerscheinungen greifen. Dies war in Dresden nicht möglich.

> Gut, diese Seite habe ich vernachlässigt - Zahlen werden in
> manipulativer Absicht verändert, mal in die eine, mal in die andere
> Richtung. Hier war ursprünglich von einer halben Million Toter
> mindestens die Rede, was mir wenig realistisch erscheint, und es
> wurden die 35.000 dagegen gehalten, die vermutlich nur eine
> Untergrenze markieren; ich schrieb selbst, dass sie auch doppelt so
> hoch liegen könnte. Vielleicht auch noch höher, doch gibt es dafür
> keine Belege.

Ich glaube, die Kenntnis der Phänomene, die eine Rolle spielten,
verändert sich immer wieder und beeinflusst die Vorstellung, die man
sich davon macht. Man kann nie sicher sein, jedes relevante Phänomen
berücksichtigt zu haben.

> > Einige Tausend, vielleicht sogar einige zehntausend suggerieren die
> > Möglichkeit, ein solches Inferno zu überleben, mithin also die
> > Inkaufnahme toter Kinder, Frauen, Greise, Widerständler; einige
> > Hunderttausend belegen die unterschiedslose Ausrottungsabsicht
>
> Das ist deine Interpretation, die muß man nicht teilen. Ich
> jedenfalls sehe keine "unterschiedslose Ausrottungsabsicht", eher die
> kalte Exekution strategischer Machtpolitik. Ich breche bestimmt keine
> Lanze für die Organisatoren der Feuerstürme. Ich möchte aber daran
> erinnern, dass es ein Kunstverb "coventrieren" gab, aber meines
> Wissens kein entsprechendes auf britischer Seite, dass die Deutschen
> den Totalen Krieg forderten und führten - erst als er zu ihnen kam
> haben sie vielleicht begriffen, was sich hinter diesem Ausdruck
> verbirgt.

Gezielte Flächenvernichtungen in GB kann ich angesichts der
Dokumentation nicht sehen. Ich glaube Jörg Friedrich war es, der das
Wesen der Flächenwaffe als Waffe gegen das Leben an sich gegenüber
Punktwaffen gegen Ziele beschrieb.

> > nach Volkszugehörigkeit entsprechend den Äusserungen Churchills: "Ich
> > führe keinen Krieg gegen Hitler, ich führe einen Krieg gegen
> > Deutschland" und "die deutsche Bevölkerung sollte mit den schlimmsten
> > bekannten Giften ausgelöscht werden" und "es ist bedauerlich, daß die
> > Vernichtung Deutschlands 1918 für vermutlich 20 Jahre unterbrochen
> > werden mußte"
>
> Es wird so viel zitiert, dass ich an dieser Stelle auf Links warte,
> bevor ich glaube.

Churchills Memoiren - ich weiss nicht, was im Web zu finden ist.

> > "geballtes Unwissen" stünde geballe Wissen gegenüber; was ist Wissen
> > oder was ist Wahrheit? Das traurigste aller Phänomene offenbart sich
> > hier, wo ein Verstand das Unwissen, die Gegensätze der Sicht als
> > Ursache erkennt, aber immer noch für überflüssig erachtet, wenigstens
> > die Zahl der zählbaren Häuserblöcke und der darin lebenden, also
> > sterbenden Menschen zu errechnen - zugunsten der nachgeplapperten
> > Propagande von den absurd, ja geradezu idiotischen 35.000, die jeder
> > aufgeweckte 10jährige hätte wiederlegen können.

> Was regst du dich so auf? Ich denke nicht, dass ich irgendetwas
> verharmlose oder schönen will. Aber ich mache mir nicht zu eigen,
> dass meiner großen Wut große Zahlen entsprechen müssen. Was heisst
> überhaupt grosse Zahlen? Wären 40, 50.000 Tote etwa wenig? Machten
> sie den Angriff zu einer Belanglosigkeit? Oder ist es nicht so, dass
> durch hoch getriebene Werte Emotionen kanalisiert werden, um sie
> erträglich zu machen?

Möglicherweise drängt das Ausmass des Entsetzens, vielleicht sogar
die Beurteilung der Sache an sich zu entsprechenden Grössenordnungen.
Insoweit ich niedrige Zahlen argumentativ anging, als drücke sich
darin geringeres Entsetzen aus, möchte ich mich dafür entschuldigen.

In einem sichtbaren Quadrat aus mehreren Hundert Aufgängen horizontal
und vertikal in einer flächigen Feuersbrunst weniger als einen Toten
pro Aufgang zu schätzen verlangt aber eine Erklärung.

> Mit absurder Idiotie hat es jedenfalls nichts zu tun, die Folgen der
> Atombombenabwürfe nicht durch den Schrecken von Dresden zu
> marginalisieren. Und was 10jährige glauben, zählen zu können, ist für
> mich nicht relevant (Entschuldigung bei allen 10jährigen, die
> mitlesen, ihr seid eben noch Kinder).

Marginalisieren wir denn, wenn wir Dresden grosses Ausmass
zugestehen? Beleuchten wir dadurch nicht eher Kälte und Brutalität
derer, die in solchen Kategorien planten - entgegen der Maskierung
vorgeblicher Notwendigkeit, wodurch solche Ereignisse nicht länger
als in Kauf zu nehmende Begleiterscheinungen, sondern als Verbrechen
an sich kenntlich werden?

> Der soziologische Zusammenhang, den du erwähnst, ist nicht nur eines
> der Lieblingsthemen aller Populisten, es ist darüber hinaus ein sich
> aus den quantitativen Gegebenheiten zwangsläufig ergebendes Phänomen.
> Welchen Umfang es annimmt, dass hängt von den betrachteten
> Gesellschaften ab, in nicht-demokratisch verfassten Staaten ist es
> noch erheblich ausgeprägter als bei 'uns'. Doch wir haben es auch,
> keine Frage.

Ich meinte weniger das geringe Gewicht des Einzelnen gegenüber der
Vielzahl, als eher das wachsende Gefühl vieler, daß faktisch die
Mehrheit bedeutungslos ist. Die meisten sind überzeugt, daß
politische Kreise den Mehrheitswillen übergehen.

> Ob aber das Verlassen des 'Mainstreams' der Königsweg aus dieser Lage
> ist, da habe ich meine Zweifel. Das Gegenteil von dem, was
> mainstreammäßig verbreitet wird, muß mich noch lange nicht näher an
> die Wahrheit führen. So gesehen bleibt die Frage, was sich denn
> hinter der Phrase "das Risiko entschlossenen Handelns auf sich" zu
> nehmen verbirgt, wie sich dieses "entschlossene Handeln"
> manifestieren könnte.

Noch komme ich ohne Revolution aus, bin mir da aber nicht mehr
sicher.
Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten wenig Anpassungsdruck gehabt.
Freunden geht es anders und der Kontakt über den Tellerrand macht
einiges sichtbar. Ich denke, der Anpassungsdruck ist gewachsen und es
ist ein regelrechter Kraftakt, Persönlichkeit zu entwickeln ohne
herauskatapultiert zu werden. Der Mainstream verlangt eine Art
regelmässiger Bestätigung, die zu verweigern riskant ist. kann man
das und warum sollte man das? Es geht nur, wenn man sich zu
funktionierenden Gruppen zusammenschliesst, die sich behaupten
können.

> > Sicher gibt es erdrückend viel Dummheit und ein ungeheures Spektrum
> > geradezu idiotischer Vorstellungen (wobei niemand davor sicher sein
> > kann)

> Genau. In dem 30:70-Beispiel aus der Umfrage können beide Seiten die
> dumme sein, und auf einer von beiden befindet sich jeder.

Gewitzte sind in der Lage, zu sagen: "ich weiss zwar nicht, was da
los war aber die Berichterstattung überzeugt mich nicht". Das ist
sicher nicht dumm.
Allerdings führt der Weg dann über kurz oder lang in den Versuch
Details zu überprüfen und von da aus...
Ich gehöre zu denen, die überprüft haben, nicht per Web-Recherche
sondern nach vielen Stunden Vorarbeit durch Befragung
Verantwortlicher. Was dabei herauskam, ist schlimmer als die Option
mit 30% Dummen zu leben.

> > doch es steht nicht reineweg Dummheit hinter vielem, was als
> > dumm erscheint. UND: man kann verdammt viel bewegen - zunhemend. Dazu
> > bedarf es aber der Mühe genauer hinzusehen.

> Sehr philosophisch und auch richtig. Jeder kann das für sich in
> Anspruch nehmen, Herr von Bülow so wie Mr.Bush. Es liegt an jedem
> einzelnen, von welcher Darstellung er sich jeweils eine höhere
> Verplausibilisierung seiner Weltsicht verspricht.

Ich weiss nicht, ob's um Verplausibilisierung der Weltsicht geht.
Mein Erschrecken hatte Gründe. Mist war in meinem Weltbild immanenter
Bestandteil, eine Komplettverschwörung sämtlicher Massenmedien aber
nicht. Ich habe geglaubt, das sei vorübergehender Anschein. Man wecke
mich, es ist ein Alptraum.

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