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mehr als 1000 Beiträge seit 12.09.2001

hab da noch was..

   
 
an  eye  for an ear
am anfang war die wahrnehmung; es folgte die spra-
che;  dann  gab  es bildzeichen & schließlich die phonetische schrift.
wir  können dies als eine tendenz zur größeren abstraktion betrachten.
die fähigkeit, abstrakte symbole zu decodieren, setzt ein gesteigertes
'mustererkennunsvermögen'  voraus, also die möglichkeit, 'information'
von 'störhintergrund' zu trennen. wenn wir uns vergangene epochen ver-
gegenwärtigen,  so stellen wir uns zumeist 'heutige' menschen in einer
'früheren'  kulisse  vor. dies ist natürlich ein trugbild, da die 'ku-
lisse'  ja  das  leben & damit auch das denken der menschen bestimmte.
also  müssen wir davon ausgehen, daß unser denken also produkt unserer
lebenssituation  von  dem  anderer epochen oder regionen eher sehr als
weniger  verschieden ist. dies bezieht sich nicht nur auf das vorstel-
lungsvermögen son- dern auch auf die art & weise der sinneswahrnehmung
als solcher. wir können - und müssen - davon ausgehen, daß nicht nur
logisches  denken,  sondern auch etwa räumliches sehen ein produkt der
jeweils  zur  verfügung  stehenden kommunikations- & produktionsmittel
sind.
....

Ein interessanter Ansatz
Wenn  wir das Verhalten der `progressiven Intellektuellen` in der heu-
tigen  Zeit beobachten, können wir feststellen, daß sie uns wenn nicht
schwarz  als  weiß,  so doch zumindest als grau verkaufen wollen. Dies
konnte während des Kriegs am Golf erkannt werden und wird noch deutli-
cher  in der Berichterstattung etwa der TAZ oder anderer, progressiver
Blätter  zur  Libyen-Affäre.  Was ich meine, ist, daß bestimmte Fakten
ignoriert,  andere  überbewertet  und  die `Realität` somit verfälscht
wiedergegeben wird. Wir erkennen eine Gleichschaltung mit den `bürger-
lichen` Meinungen, die ja einen Grund haben muß. Nun läßt sich sicher-
lich in einigen Fällen - Biermann etwa - ein Frontenwechsel, eine Auf-
gabe  früherer Positionen vermuten. Das Gesamtphänomen wird damit aber
nicht  erklärt. Wenn dieses neue Verhalten aber nicht eine intellektu-
elle  Entscheidung  zur  Ursache hat - und dies kann weitgehend ausge-
schlossen  werden, da die Leute ja weiterhin glauben, äußerst kritisch
& progressiv zu sein, müssen wir eine andere Ursache vermuten.
Eine  Veränderung des Denkens und der individuellen Ansichten kann zum
Beispiel durch Bestechung, durch Zwang, durch Gehirnwäsche, durch Dro-
gen,  durch persönliche Entschlüsse oder aber - so McLuhan - durch Me-
dien  hervorgerufen  werden.  Wir können nun die meisten der genannten
Ursachen  -  zumindest für den Bereich der BRD - weitgehend ausschlie-
ßen,  so daß die `Medien` im McLuhanschen Sinne übrigbleiben. Die Ver-
änderung  des Denkens der sogenannten progressiven Akademiker & linken
Intellektuellen  (Ausnahmen  seien  selbstverständlich gestattet) kann
also  als Beweis für die Richtigkeit der These Marshal McLuhans gewer-
tet  werden, wonach jedes beliebige Medium selbst - und nicht etwa al-
lein  oder hauptsächlich sein Inhalt - das Bewußtsein der Menschen be-
stimmt.

....
In  der voralphabetischen Stammesgesellschaft lebte der Mensch weitge-
hend  im  `akustischen` Raum. Seine Orientierung und sein überleben in
diesem  Raum hingen im wesentlichen von seiner Fähigkeit ab, seine Er-
fahrungen  im  Gehirn zu speichern und sich von Fall zu Fall möglichst
genau zu erinnern. Später entwickelten sich Bilder und Bildzeichen als
Unterstützung  des Gedächtnisses. Aber erst mit der seriellen Speiche-
rung  von  Wissen in Manuskripten und Büchern wurde die Notwendigkeit,
Fakten  im eigenen Gehirn aufzubewahren, mehr und mehr zurückgedrängt.
Der  Mensch  des  20sten  Jahrhunderts kann auf ein gewaltiges, extern
gespeichertes  Informationspotential  zurückgreifen,  so  daß  er sich
nicht  mehr die Fakten, sondern lediglich die notwendigen Prozesse zum
Zugriff  auf diese merken muß. Die elektronischen Medien haben nun die
Möglichkeiten der externen Speicherung erneut vergrößert.
Im  Laufe dieser Entwicklung von der Stammesgesellschaft zur Jetztzeit
hat  sich nun aber nicht nur das Informationspotential exponential ge-
steigert,  sondern  auch die Permanenz dieser Speicherung schrittweise
reduziert.  Während  die in Stein gemeißelten Inschriften in der Regel
Jahrtausende  überdauern, sind Pergament und Papier wesentlich weniger
haltbar.  Eine  große  Anzahl von Filmen aus den letzten 50 Jahren ist
bereits  durch  chemische  Veränderungen des Materials völlig zerstört
und  somit  die darin gespeicherte Information unwiderruflich vernich-
tet.  Elektronische Datenträger können durch Versehen oder Absicht in-
nerhalb  von Sekunden gelöscht werden. Gleichzeitig wird die individu-
elle Möglichkeit, über das eigene Gedächnis korrigierend einzugreifen,
immer  geringer.  Die Reduktion der Allgemeinbildung, des internen Ge-
dächtnisses, geht Hand in Hand mit der Vergrößerung technischer Hilfs-
mittel  zur Informationsspeicherung (McLuhan stellt dazu richtig fest,
daß  jede  Erweiterung  ursprünglicher  menschlicher Fähigkeiten durch
äußere  Mittel - Medien - die originären Fähigkeiten abstumpft, `ampu-
tiert`).
Selbstzensur und Gleichschaltung
Die  gerade  bei  Intellektuellen beobachtbare Tendenz zu Selbstzensur
und  `Selbst-Gleichschaltung` - also Anpassung an und kritiklose über-
nahme von bestimmten Vorstellungen - kann ihre Ursache in der heutigen
Struktur des akademischen Bildungsbetriebs haben. McLuhan stellt fest,
daß  jedes  Medium,  wenn es lange genug weiterentwickelt - `beschleu-
nigt`,  `aufgeheizt`  - wird, umkippt & seinen ursprünglichen Effekten
entgegengesetzte  Wirkungen  hervorruft.  Hat das Buch, der massenver-
breitete  Text  zunächst zum Entstehen individualistischer Interpreta-
tionen  und Meinungen geführt - indem nämlich jeder für sich, ohne die
durch  einen  Lehrer oder Professor `mitgelieferte` Sichtweise, Zugang
zum  Inhalt der Texte suchen konnte - so scheint es heutzutage im uni-
versitären  Betrieb eine Rückverwandlung in eine Art `heilige Schrift`
zu  erleben.  Wir  können beobachten, daß Studenten mehr und mehr dazu
neigen,  vorgegebene  Texte, Sekundärliteratur, die `akademische Fach-
sprache`  als  unantastbare,  ikonenhafte  Werte zu betrachten, so daß
jedwelche Bearbeitung zu einem Konglomerat `wissenschaftlicher` Allge-
meinplätze  verkommt  anstelle  der  kritischen Auseinandersetzung mit
Inhalten  und Positionen. Der aufklärerische `Austritt aus der selbst-
verschuldeten  Unmündigkeit`(Kant)  hat  sich  in sein Gegenteil - den
unreflektierten  Eintritt  in eine selbstgewählte Sphäre der Anpassung
an ein System von Vormeinungen, Vorurteilen - verwandelt.
edge, 28.05.'92
yours
selbiger


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