Klar ist es durchaus notwendig Trump das, was er da alles gemacht hat, nicht durch gehen zu lassen. Und nach dem letztendlich von Trump initiierten Putschversuch in Washington DC muss auch unbedingt sicher gestellt werden, dass so jemand wie er, der die Macht für sich missbraucht wo immer es geht, nie wieder Präsident werden kann. Denn er wird es sicher noch mal versuchen. Und da ist das 2. Impeachment durchaus angebracht. IMHO sollte sogar jeder Präsident nur ein einziges mal im Amt sein dürfen.
Bedenklich ist aber in meinen Augen das massive "Nachtreten" derzeit, die cancel culture, die sich auch bei der Thematik Trump momentan immer mehr breit macht. Denn zum einen hat auch jemand wie Trump immer noch das Recht auf freie Meinungsäußerung, auch wen er viel Stuss von sich gibt und eine bescheuerte Meinung hat. Und ein allgemeiner, moralischer Boykott samt moralischem bis sehr realen Druck auf alle, die ihn nicht Boykottieren ist eben auch wieder letztendlich eine strukturelle Gewalt zur Bekämpfung einer unliebsamen Meinung. Und damit gegen das Prinzip der Freiheit der Meinungsäußerung gerichtet. Womit dann nur der noch seine Meinung äußern kann, der entweder meinungskonform ist - oder über ausreichend Kapital verfügt um die Meinung mittels seiner Kapitalkraft und mit eigenen Unternehmen und eigener Hardware usw. in die Welt tragen zu können. Wer nicht über das nötige Kapital verfügt und nicht meinungskonform ist, der kann seine Meinung so nicht mehr äußern.
Diese soziale Ungerechtigkeit in Bezug auf die Meinungsfreiheit ist aber eigentlich gar nicht so sehr der springende Punkt an der Geschichte. Das eigentlich wirklich bedenkliche an dieser "gemeinsamen Abschaltung von Trump" ist eben, dass es in dieser "gemeinsamen Aktion" derzeit zwar nur gegen einen rechtskonservativen, äußerst narzisstischen und überaus egoistischen Präsidenten geht, der nicht nur ziemlich dämliche Sachen von sich gegeben, sondern vor allem seine Macht ständig missbraucht hat wo immer dieser Munchkin eine Regellücke finden konnte. Ein "depperter Bazi" sozusagen, der es "verdient hätte". Spätestens nach seinem Spruch mit den Frauen und dem Schritt und seiner Hand sollte er ja nicht mehr wirklich ernst zu nehmen sein. Und sein latenter Rassismus und vor allem sein unsoziales Verhalten sollte auch bekannt sein.
Was aber, wenn sich in einem kleinen Gedankenexperiment nun plötzlich mal die Stimmung umkehrt? Wenn nun nicht alle Tech-Medien-Unternehmen gegen einen rechtslastigen Konservativen Schussel und gegen militante Nationalisten los feuern, sondern etwa gegen all jene, die einen Migrationshintergrund haben?
Was wäre, wenn jene, die gerade diese Forderung nach einem medialen Mundtotmachen bestimmter Menschen am vehementesten voran treiben, mit ihren eigenen Mitteln und Methoden konfrontiert würden: was wäre wenn etwa die fünf oder sechs größten Media- und Internetkonzerne im guten alten Bild-Stil gegen all jene feuern und agitatorisch schreiben würden, die etwa für Arbeiterrechte und für Menschenrechte einstehen, für eine gerechte und solidarische Sozialpolitik? Was wäre, wenn eine Hand voll rechter Investoren nun alle Frauen stumm schalten würden (und Proteste dagegen gleich mit), nur weil diese rechtskonservativen Investoren eben die Firmen besitzen, über die 90% der Internet-Kommunikation heute läuft und der hypothetischen Meinung sind, dass Frauen wieder "dem Manne untertan" sein sollen, so wie es die Bilbel verlangt?
Wie gesagt - die exakt gleichen Methoden, die derzeit gegen "rechte Gruppen" gefahren werden, also Wegfall von Zahlungsmöglichkeiten, Wegfall von Kommunikationsmöglichkeiten etc. pp, obwohl 90% der Bevölkerung mittlerweile nur noch diese Medien nutzt.
Das wäre sicher am Ende noch weniger schön als wenn ein paar rechte Spinner ihre Meinung zur Äußerung bringen können. Denn dann hätte man nicht nur rechte Spinner und dämliche Präsidenten, die im Netz Unsinn von sich geben - dann hätte man mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit auch plötzlich wieder real massive Gewalt gegen Migranten, eine Unterdrückung der Arbeiterklasse und eine massive Unterdrückung von Frauen. Weil keiner mehr was dagegen sagen kann und sich nicht dagegen äußern kann ohne seine Kommunikationsmöglichkeit zu verlieren.
Und damit genau das nicht passiert ist es eben zwingend notwendig, dass jeder Mensch neben seinem angeborenen, unveräußerlichen und unabsprechbaren Recht auf freie Meinungsäußerung auch noch eine freie Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung hat, auch und gerade wenn man diese andere Meinung nicht teilt. Und solange da nicht zur Gewalt (physischer wie struktureller) gegen Menschen aufgerufen wird, solange da niemand einfach nur beleidigt wird, solange ist das überhaupt kein Problem - es gefällt allenfalls nicht. Dass jemand unschöne Dinge dennoch sagen darf bedeutet nämlich auch, dass nicht nur jeder das Recht hat eine Meinung zu haben und diese zu äußern - so hat auch jeder das Recht auf eine andere Meinung dazu - und das Recht eben diese andere Meinung zu äußern. Und nur so, aus dem Austausch von Meinungen, ergibt sich letztendlich eine freie Gesellschaft. Eine Gesellschaft aber, in der Meinungen unterdrückt werden - und sei die Unterdrückung auch noch so gut gemeint und noch so "wegweisend" - wird aber niemals frei werden. Und schlimmstenfalls ganz schnell wieder in einem neuen Wohlfahrtsausschuss, in einem neuen Einparteienstaat enden. Und damit in Staatsterror und einer Tyrannis. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann wieder mit einer neuen Inquisition oder gar mit anonymen Massengräbern irgendwo im Wald.
Aber ich fürchte Voltaire gilt heute nur noch als weißer, alter Mann, westlicher Rassist und Sklavenhalter, dessen Büsten gesschleift und dessen Bilder gestürmt gehören. Und das ihm häufig zugeschriebene Zitat hat leider keine auch keine Bedeutung mehr, wir leben wohl schon nach einem Zeitalter der Aufklärung
"Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen."