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  • Sturgess

624 Beiträge seit 01.05.2020

Re: Fast schon ein bisschen bedenklich was da abläuft...

/Rak schrieb am 15.01.2021 13:20:

Sturgess schrieb am 15.01.2021 12:05:

(...)
Du hast ja ziemlich gut deine Sorge beschrieben, die ich teile.
Warum bezeichnet du aber im ersten Absatz, dass es ein Putschversuch von Trump war.
Also ohne Panzer oder bewaffnete Militärs/Polizeikräfte wird es mit einem Putsch ohnehin nichts.

Nicht jeder Putsch läuft gewaltsam ab. Im Gegenteil - zu viel Gewalt gerade am Anfang führt mittlerweile sogar oft direkt dazu, dass der Putsch nicht gelingt.

Aber ein Putsch läuft in aller Regel so ab, dass die Regierung "gestürzt wird" und dann werden Teile der Sicherheitsdienste und des Militärs aktiv, die Medienkontrolle wird übernommen. Klassischer Ablauf, wie ihn die CIA schon zig mal durch exerziert hat.
Nun ist Trump derzeit noch selbst quasi "Die Regierung", auch wenn er natürlich eigentlich nur ein Teil davon ist. Und wenn schon der der Nachfolger bestimmt ist. Ihn muss man schon mal nicht stürzen.
Aber der Teil der Regierung, der im Kapitol sitzt, der wurde in der Tat angegriffen, die Abgeordneten mussten aus dem Gebäude fliehen oder sich in Schutzräumen verstecken. Dort im Kapitol sitzt nun eben das Repräsentantenhaus und der Senat und damit die Legislative der USA. Und wenn diese dann ausgeschaltet ist, dann gibt es niemanden, der den amtierenden Präsidenten wirklich aufhalten kann, wenn dieser per Executive Order und per Notfallgesetzen durchregieren möchte.

Dabei ist mir z.B. aufgefallen, dass das Kapitol so gut wie gar nicht wirklich bewacht war durch die Sicherheitskräfte. Auch wurden frühe Angebote von FBI und anderen Sicherheitsdiensten zur Unterstützung erst mal abgelehnt von Verantwortlichen. Und Trump hat in seinen späteren Posts auf Twitter immer wieder betont, dass die Polizisten "Freunde" sind und dass die Leute, die ins Kapitol eingedrungen waren durch eingeworfene bzw. mit Macheten zerstörte Fenster, bitte "friedlich bleiben" sollen.
Ein großer Teil der Polizisten und Sicherheitsleute waren dazu auch als Trumpwähler bekannt.
Dazu kommt noch, dass Trump auch im Vorfeld schon die Exekutive auf seine Seite gebracht hat, indem er 3 der obersten Richter durch Leute seiner Wahl ersetzen konnte. Womit zusammen mit den 3 Richtern, die damals von GW Busch und GHW Bush vorgeschlagen worden waren nun 6 "republikanische" Richter sitzen, aber nur 3 "demokratische", die von Obama und Clinton vorgeschlagen worden waren.
Der US Supreme Court kann so also ganz leicht mit einer 2/3 Mehrheit für die Konservativen/Republikaner entscheiden.

Trump hat sich da wohl nur ein wenig verrechnet - der Mob aus Trump-Anhängern, der in Teilen das Parlamenstgebäude gestürmt hat war eben doch deutlich gewalttätiger (und skandierte irgendwann auch ein "Hang Mike Pence!") und die Polizei hat denen zwar anfangs die Tore zum Gebäudevorfeld einfach aufgemacht statt die Waffen zu ziehen und Verstärkung zu holen - aber dann am Ende doch deutlich mehr Widerstand geleistet, vor allem im Parlamentsgebäude. Und mit Eintreffen der Nationalgarde hatte der Pro-Trump Mob dann keine Chance mehr.

Da ist einfach die ganze Choreografie ein wenig aus dem Ruder gelaufen....sonst hätte Trump durchaus noch eine Weile länger im Amt bleiben und erst mal die Macht übernehmen können. Aber wenn das Parlamentsgebäude gestürmt wird und der potentiell schwer bewaffnete (*) Mob, der zuvor vom Präsidenten ermutigt wurde (**) dazu aufruft den "verräterischen" Vizepräsidenten zu Lynchen, dann kann man schon von einem Putschversuch sprechen.

(*) Bei den Demonstranten wurden nicht nur Sprengsätze, sondern auch diverse Lang- und Faustffeuerwaffen gefunden.

(**) Trump hatte schon im Vorfeld die bewaffneten rechtsradikalen "Proud Boys" Milizen ganz offen im Fernsehen dazu aufgerufen sich zurück zu halten und sich bereit zu halten. ("stand back and stand by". Er hat damit eben nicht zu einem "stand down" aufgerufen... sie also genau nicht aufgefordert sich zurück zu ziehen. ).
Und ein guter Teil des Mobs bestand dann auch aus Proud Boys, am letzten noch möglichen Tag für eine Verhinderung der Ernennung von Biden zum neuen gewählten Präsidenten

Danke dir für den ausführlichen Beitrag.

Jetzt ein kleines Gedankenspiel:
Stelle dir vor, es gäbe ein Land, in dem ein Präsident oder Kanzler immer wieder, ohne Amtszeitbeschränkung gewählt werden kann.
Dieser Präsident oder Kanzler, wird nur von einer ganz kleinen Zahl von Parteimitgliedern gewählt.
Dieser Präsident oder Kanzler, stellt dann seine Regierung nach seiner Wahl (zeitlich und persönlich) zusammen.
Dieser Präsident oder Kanzler, stellt dann auch gleich durch symbolische Handlungen, wie z.B. die Auswahl seines Regierungssprecher, fest, wie Medienvertreter bei ihm Karriere machen.
In diesem Land werden dann die maßgeblichen Medien von Leuten mit Parteibüchern besetzt. DIese Medien werden dann von den Bürgern finanziert, aber nicht kontrolliert.
Dieser Präsident oder Kanzler, füttert dann die genehmen Medienvertreter durch Exklusiv- oder Kamingespräche an.
Dieser Präsident oder Kanzler, stellt auch sicher, dass in den höchsten Justizpositionen sich seine Gefolgsleute wiederfinden.
Dieser Präsident oder Kanzler, hat aufgrund seiner Postion, die Macht, Richtungsvorgaben in Fraktionen umzusetzen, die dann durch einen "nicht" Fraktionszwang umgesetzt werden.
Dieser Präsident oder Kanzler, stellt damit sicher, dass es nicht zu Volksentscheiden kommt.
Dieser Präsident oder Kanzler, stellt auch sicher, dass seine Partei, sowie die anderen Parteien alle die Parteizuschüsse bekommen, die den Parteien zugestanden hätten, aber nicht die 5% Hürde geschafft haben.
Dieser Präsident oder Kanzler, finanziert durch seine Regierung, auch willige NGO die liebend gerne die Werte seiner Partei mit einem Anstrich der Unabhängigkeit nach aussen vertreten.
Dieser Präsident oder Kanzler, sorgt sich dann auch um die Pressefreiheit und stellt durch finanzielle Unterstützung sicher, dass die Presse auch weiterhin unabhängig berichten kann.
Dieser Präsident oder Kanzler, sichert auch die Finanzierung von Think-Tanks und unabhängigen Stiftungen, um die Bevölkerung mit deren Expertisen auf politische/wirtschaftliche Veränderungen vorzubereiten.

Und stelle dir jetzt vor, die Bürger dieses Landes, glauben sie leben in einer Demokratie, weil sie alle 4 Jahre ein Kreuzchen machen dürfen.
Könnte das ein Putsch der absolut raffiniertesten Art sein?
Ist nur ein Gedankenspiel zum Feierabend.

Gruss Sturges

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