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  • The Lord

81 Beiträge seit 26.12.2001

Re: Nicht alle Religionen fördern Ignoranz und Intoleranz - nur alle im Westen

Vorab: Es ging eigentlich um die Aussage "Alle Religionen haben den Anspruch, die einzig wahre zu sein, und den einzig wahren Weg zum Paradies zu weisen." Ich schrieb, daß der Buddhismus diesen Absolutheitsanspruch eben nicht erhebt.

Dein Posting hat also nicht direkt etwas damit zu tun, denn Du gehst mit keinem Wort auf diesen Absolutheitsanspruch ein.

Deine zahlreichen Punkte beantworte ich aber dennoch gern:

=> Shoko Asahara

Ich habe nie behauptet, daß alle Menschen, die sich zum Buddhismus bekennen, friedlich/wohlwollend/perfekt sind. Selbstverständlich gibt's 'nen Haufen Arschlöcher auch unter bekennenden Buddhisten. Die Frage ist: Macht der Buddhismus die Sache schlimmer, also wirkt er aufhetzend? Oder hat er eine befriedende Wirkung?

Einen Shoko Asahara als Beweis dafür herzunehmen, daß der Buddhismus gewalttätig ist, ist m.E. völliger Nonsens. Das ist genau der gleiche Blödsinn wie aus 300 Morden in Deutschland im Jahr 2015 abzuleiten, daß alle deutschen Mörder sind.

Übrigens hat sich Shoko Asahara selbst als Christ bezeichnet:

"The doctrine of Aum Shinrikyo is based on the Vajrayana scriptures, the Bible, and other texts. In 1992 Asahara published a foundational book, and declared himself "Christ""

https://en.wikipedia.org/wiki/Shoko_Asahara

Bitte erläutere doch jetzt etwas genauer, wieso es überhaupt einen Schatten auf den Buddhismus wirft, wenn ein bekennender "Christ", der sich auf Basis von vielen verschiedenen Schriften -- u.a. der Bibel -- eine schräge Sekte zusammengebaut hat, einen Terroranschlag begeht?

Oder zielt Deine Argumentation darauf ab, dem Dalai Lama zu unterstellen, daß er die Taten angestiftet habe, nur weil er den Attentäter kannte? Der Dalai Lama kennt persönlich sicher zig tausende von Menschen und bezeichnet übrigens jeden auf diesem Planeten (auch Dich!) als seinen Freund (er sagte auch mal sowas wie "die Welt ist voll von Freunden -- manche kenne ich schon, viele kenne ich nicht").

Übrigens wird der Dalai Lama vermutlich auch niemandem seine Freundschaft aufkündigen, selbst wenn derjenige ihn foltern würde. Zumindest legen die (Auto)Biographien und Interviews von durch die Chinesen gefolterten tibetischen Mönchen diese Vermutung nahe.

=> Hinduismus

Was soll der Bezug zum Hinduismus hier? Hinduismus hat absolut nichts mit Buddhismus zu tun, außer daß der Buddhismus in einer Umgebung entstanden ist, in der alle Menschen Hinduisten waren oder zumindest den Hinduismus gut kannten. Daher greift der Buddhismus auf Vokabular zurück, das auch der Hinduismus kennt, doch verwendet es mit signifikanten Unterschieden.

Wenn man etwas vollkommen neues erläutern will, muß man dennoch bestehendes Vokabular verwenden. Anders kann man sich schließlich nicht ausdrücken.

Es würde den Rahmen sprengen, die Unterschiede zwischen Buddhismus und Hinduismus zu erläutern, doch die wichtigsten Punkte in Kürze:

Der Buddhismus ist eine Religion ohne Götter! Der Hinduismus hingegen basiert auf einem Haufen von Göttern. Der Buddhismus erwähnt zwar (weil er in einer hinduistischen Gesellschaft geboren wurde) Götter in sehr vielen Sutren, doch haben diese keinerlei Bedeutung. Sie sind Bewohner des Universums wie Menschen und andere Tiere -- und sie sind vor allem dem Samsara unterworfen, genauso wie jede andere Lebensform auch.

Sowohl im Hinduismus als auch im Buddhismus gibt es die Idee des Karma. Doch im Hinduismus kann das Karma eines Menschen von Göttern verändert werden. Im Buddhismus hingegen ist jeder seines eigenen Glückes Schmied ;-) Selbst Götter (falls es sie gibt, was nach Shakyamuni Buddhas Ansicht unerheblich ist) können nur ihr eigenes Karma prägen.

Im Buddhismus wird nie etwas Lebendes geopfert! Das einzige mir bekannte Opfer sind Wasser, Früchte, Räucherstäbchen oder Kerzen. Die Hinweise auf die "Opferhandlung im Mahabharata" hat daher in einer Diskussion über den Buddhismus absolut nichts verloren.

Im Buddhismus gibt es übrigens auch keine Kasten! Diese wurden von Shakyamuni Buddha vehement kritisiert.

=> Bushido

Buddhismus ist nicht Bushido! Zwar haben die Samurai in ihr Bushido auch Einflüsse aus dem Buddhismus übernommen, doch die Grundsätze des Bushido sind mit Buddhismus unvereinbar.

Wenn man nur einige wenige Ideen aus dem Buddhismus in eine andere Philosophie übernimmt, dabei aber Grundsätzliches ignoriert, dann ist das kein Buddhismus mehr.

Die Krux liegt jetzt natürlich darin, daß der Buddhismus nicht-dogmatisch ist und sich daher kaum ein Buddhist das Recht herausnehmen wird, Dir vorzuschreiben, wie Du Buddhismus zu verstehen hast. Doch da alle buddhistischen Schriften davon sprechen, daß man kein Leid in die Welt bringen sollte, fällt es wohl schwer, einen Mord oder gar kriegerische Aktivitäten damit zu rechtfertigen.

=> Nazis

Die Verbrechen der Nazis waren der i-Punkt des knapp 2000-jährigen christlichen Antisemitismus, der übrigens in allen Jahrhunderten in Europa unzählige anti-jüdische Pogrome befeuerte.

Aus christlich motivierten Juden-Morden eine Gewalttätigkeit des Buddhismus abzuleiten, nur weil irgendwelche verkoksten Nazi-Größen in ihrer sowieso schon arg verzerrten Weltsicht Interesse an östlichen Philosophien hatten, ist schon arg an den Haaren herbeigezogen.

So, jetzt ist's spät. Gute Nacht!

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (13.02.2017 20:07).

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