Könnte es vielleicht daran liegen, daß das jetzt Realität gewordene autokratische Regime schon immer das erklärte Ziel von Erdogan war? Wir erinnern uns: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufspringen..." Haben Sie, Herr Wustmann, etwa ernsthaft geglaubt, das seien leere Drohungen? Ein locker dahingesagter crowd pleaser? Oh, ja, ich fürchte das haben Sie:
Die Türkei war einst, vor allem aufgrund der Reformen der AKP, ein weltweit bewundertes Beispiel für einen islamischen Liberalismus...
Hier habe ich aufgehört zu lesen. OMG, Herr Wustmann, Sie glauben wohl auch noch an den Weihnachtsmann, den Osterhasen und den Klapperstorch...
Erdogan ist eben aus anderem Holz als die lobbygesteuerten Politdarsteller, mit denen wir es in "westlichen" Demoligarchien zu tun haben. Er hat - das muß man ihm lassen - seinen Staatsstreich über gut zwei Jahrzehnte vorbereitet und meisterhaft ausgeführt. Hat zuerst primär mit Angehörigen der Unter- und unteren Mittelschicht eine Basisbewegung aufgebaut, ist dabei inhaltlich stets flexibel geblieben, hat mal Feuer gespuckt (s.o.), mal Kreide gefressen, jedem im In- und Ausland just das versprochen, was er hören wollte und dann mehrmals (auch mit diskreter Unterstützung aus dem westlichen Ausland, u.a. von Leuten Ihres Schlages, Herr Wustmann) Wahlen streng demokratisch gewonnen; gleichzeitig Verwaltung, Polizei und Militär langsam aber stetig unterwandert (zunächst noch im Bunde mit dem anderen Duumvirn, Gülen).
Irgendwann war dann der Zeitpunkt gekommen, das Duumvirat aufzulösen und just dann begann natürlich der offene Terror, erst gegen eine einzelne Gruppe gerichtet, später sukzessive ausgeweitet und zuletzt in den offenen Bürgerkrieg überführt. Der "Reichstagsbrand" brachte dann den endgültigen Durchbruch (es hätte aber auch ein anderer geeigneter Anlaß getan): Massenentlassungen, Massenverhaftungen, Gleichschaltung der Medien, allgemeiner Terror, jetzt gegen jede, auch nur potentielle Oppositionsbewegung gerichtet. Das jüngst per Plebiszit bestätigte Ermächtigungsgesetz war dann nur noch Formsache.
Alles geradezu schulbuchmäßig, man kann von Erdogan sagen was man will - sein Handwerk versteht er.
Und dabei hatte doch alles so hoffnungsfroh begonnen... (zumindest konnte man es so sehen wollen, wenn man den Islamismus immer durch eine rosarote Brille betrachtete).
Toujours la tyrannie a d'heureuses prémices (Racine, Britannicus)
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (03.05.2017 14:18).