Man kann sich darüber streiten, ob Erdo ein Faschist sei. Jedenfalls bedient er sich faschistischer Methoden. Immer noch gelingt es ihm dank der strategischen Lage der Türkei, die beiden verfeindeten Lager gegeneinander auszuspielen. Auch wenn ihm beide Seiten in Einzelfällen schon rote Linien aufgezeigt haben, insgesamt macht sein neoosmanisches Projekt doch Fortschritte. Immer wieder ergeben sich Konstellationen, aus denen er Profit ziehen kann.
Die ökonomische Lage ist seine Achillesferse. Die militärische Überdehnung führt im Endeffekt zum Verfall der Landeswährung, also Inflation und grosser Unzufriedenheit unter der Bevölkerung. Da er es noch nicht geschafft hat, sich zum Diktator auf Lebenszeit aufzuschwingen und Residuen bürgerlich-demokratischer Politstrukturen immer noch eine Rolle spielen, kann das bei Wahlen zu Problemen führen.
Die nato und mit ihr die deutsche, von wem auch immer geführte Regierung wird ihn nicht fallenlassen, ebenso wenig wie Russland, dass seinen in der Region sorgsam aufgebauten Einfluss gewiss nicht aus der Hand gibt. Faschistische Methoden hin oder her, die sich, wie der Artikel zeigt, leicht unter den Deckel der führenden internationalen Relotius-Medien kehren lassen. Die Niederlage muss von innen kommen. Was nach ihm kommt, ist allerdings auch offen. Man hat nicht den Eindruck, dass die türkische Bevölkerung mit den Methoden an sich ein Problem hat, zumindest nicht in ihrer Mehrheit.