Ganz im Gegenteil:

Der Geschichtsschreibung käme es gut, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit, ethische Säuberung und Völkermord zu Lebzeiten der Täter und Täterinnen rechtskräftig zu be- und verurteilen. Ein erheblicher Teil der heutigen Misere basiert auf der bisherigen Straffreiheit. Die organisierten Kriminellen ziehen daraus nur den einen Schluss: weitermachen!

Putin und der Leiterin der russischen Kinderschutzbehörde wird von Kiev Verschleppung von Kindern aus der Kampfzone vorgeworfen und kriminelle Absicht unterstellt. Die Anklage steht meines Erachtens auf tönernen Füssen:

1. Russland ist im von ihm kontrollierten Gebiet für den Schutz und die Versorgung der dortigen Bevölkerung verantwortlich (Kriegs- und Besatzungsrecht). Während die NATO in Irak und Afghanistan pro gegnerischem Kämpfer mehrere Zivilisten töteten, sind im Ukraine-Konflikt weniger als 5% der Opfer Zivilisten. Die russische Armee vermeidet offensichtlich erfolgreich zivile Opfer.

2. Verwandte können meines Wissens die betroffenen Kinder in Russland abholen. Die Kinder werden allerdings keinen Dritten überlassen, um potentiellem Kinderhandel zuvorzukommen. Konfliktgebiete sind leider eine beliebte Nachschubquelle für sexuelle Ausbeuter und Organhehler - siehe etwa Dick Martys Bericht zu Kosovo.

Deshalb stufe ich den Vorwurf der böswilligen Kinderverschleppung als haltlos ein.

Wie schon damals angemerkt erwarte ich trotzdem, dass der Gerichtsprozess umgehend geführt wird. Träfe Kiev's Anklage zu, wäre das Grund genug, den Prozess auch in Abwesenheit der Angeklagten zu führen. Die Angeklagten könnten sich im Verfahren nämlich auch per Videokonferenz äussern und/oder Anwälte zur Verteidigung entsenden.

Dass der Fall von Israels Krieg gegen Gaza so kurzfristig vor dem ICJ verhandelt wird, ist dem Schlachtfeld und der absolut lebensfeindlichen Situation in Gaza angemessen. Aktuell klärt das Gericht nur, ob vorläufige Massnahmen verfügt werden. Israel ist in Nahost eine militärische Grossmacht. Der Prozess trifft also einen Grossen und auch keinen Falschen.