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Avatar von asn1
  • asn1

27 Beiträge seit 04.10.2018

Re: Leider ein unlösbarer Konflikt

Ja, diese Kritikpunkte sind definitiv berechtigt. Gedanklich kann man ja immer die Alternativen durchspielen: Hätte man also sehr begrenzt und zurückhaltend auf den 7. Oktober reagieren können? Hätte man so langfristig die zunehmende Radikalisierung in der Gaza-Bevölkerung vermeiden können? Das gilt es abzuwägen. Ab und an vergleiche ich dann aber die Situation doch mit der "Radikalisierung" in Deutschland während des Dritten Reiches bzw. der Zeit des Nationalsozialismus. Und hier war das konsequente Vorgehen der Alliierten am Ende richtig, wenngleich es ja mit sehr viel Leid für die Zivilbevölkerung verbunden war. (In Dresden starben 25000-35000 Zivilisten binnen weniger Stunden. Neben Dresden wurden 20-30 weitere Städte liquidiert. Und Japan war erst nach Nagasaki und Hiroshima zur Kapitulationbereit ...) Welche Rolle spielt mitunter also ein sehr striktes, konsequentes Vorgehen mit einem klar definierten militärischen und politischen Ziel? Damals gehört zum Vorgehen die (mehr oder weniger) konsequente Phase der Entnazifizierung (also das Ausmerzen faschistischer Ideologie aus den Köpfen) durch die Alliierten. Die Frage ist also: Ist es nicht doch realistisch und mittelfristig besser, das militärische Potenzial erstmal im Gaza-Streifen konsequent und ohne Abstriche auszuschalten und danach durch internationale Gremien ein Mandat für das Gebiet zu übernehmen und den Aufbau von Institutionen (neben der Infastruktur) zu organisieren und zu überwachen?

Ob die Details der Vorbereitung des 7. Oktober so genau bekannt waren, ist schwer zu beurteilen. Ja, es kann Kalkül gewesen sein. Allerdings gibt es wohl Hinweise, dass es insgesamt als wenig wahrscheinlich eingeschätzt worden ist. Und das Gehört zur Wahrheit: Schaue ich in die Zukunft und bewerte geheimdienstliche Informationen, muss ich immer mit Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Und da liegt man mitunter dann eben fatal daneben. Insofern war es aber wichtig, dass die USA sehr schnell gehandelt haben und die beiden Flugzeugträger positioniert haben um a) den Iran (etc.) von größeren Aktionen abzuhalten und b) (und auch das gehört m.E. zu Wahrheit oder berechtigten Hypothese) um Israel klarzumachen, wir wissen genau, was ihr tut und hören mit - haltet euch (anders als 1973) also an das Völkerrecht und macht nichts (mit den USA) Unabgestimmtes.

Die Siedlungspolitik ist fatal. Allerdings ist es halt eine Auffassung, dadurch Ballungen von extremistischen Gegnern zu vermeiden und permanent Grund für eine Kontrolle zu haben. Das ist empörend und führt zum Vorwurf von Apartheid, aber trotzdem müssen auch hier alle Perspektiven auf den Tisch. Das ist auch der Grund, warum eine 2-Staatenlösung einerseits naheliegend ist und andererseits fatal sein könnte: Ein eigenständiger palästinensischer Staat würde Iran, der Hisbollah und den Huthi, der Fatah und HAMAS die Möglichkeit geben, ein Bollwerk gegen Israel auf "eigenem" Staatsterritorium aufzubauen. Würde das dann tatsächlich auf dem Gebiet passieren, das eigentlich dafür in Frage kommt (Westbank, Gaza), reicht ein Blick auf die Karte, um das strategische Fiasko zu erkennen. Um das zu vermeiden, sollte man sich Alternativen zuwenden, zum Beispiel einer Konföderation o.ä. ... entscheidend: mit gemeinsamer Verantwortung für Sicherheit und Frieden. Man muss aufpassen, dass man nicht jetzt wieder neue Fehler macht, die sich schon bald wieder auf neue Weise rächen werden ... Es ist endlos kompliziert. Nur guter Wille und viel Diplomatie können helfen, ein Stück aus dem Dilemma herauszukommen.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (30.01.2024 12:44).

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