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mehr als 1000 Beiträge seit 10.01.2003

Ein Gesundheitssystem ohne Klienten ist nicht profitabel.

Nur so als Denkansatz, in Deutschland.

Vor noch gar nicht so langer Zeit funktionierte das etwa so: wurde man krank, ging man zum Hausarzt. Der ließ sich dann durchaus auch auf ein längeres Diagnosegespräch ein, bevor er dann an einen Facharzt verwies. Wenn das überhaupt nötig war: ich erinnere mich an Zeiten, da konnte auch der Hausarzt mal schnell ein Furunkel entfernen, der Gang zum Hautarzt war nicht nötig. Und oft genügten ein paar Tage Krankschreibung zur heilsamen Ruhe, dann ward alles wieder gut. War's doch was schwereres, ging es dann doch zum Facharzt, der dann aber oft genug die zweite und letzte Station war - weil er nicht nur der richtige für den Job war, sondern eben auch eine passende Therapie ausarbeiten konnte.

Heute?

Diagnosegespräche gibt's nicht mehr. In 5 Minuten bekommt man grad den Anamnese-Zettel ausgefüllt und "Guten Tag" gesagt. Eine vernünftige Diagnose ist kaum möglich. Der durchschnittliche Allgemeinmediziner scheint nur noch Impfarzt zu sein, denn das geht tatsächlich noch so wie früher: Termin ausmachen, Impfheft mit, Impfe setzen, fertig. Vermutlich, weil das im Akkord nach Schema F abgearbeitet werden kann und keine individuelle Diagnose notwendig ist. Folgerichtig schickt einen der Hausarzt, so er nicht nur für die Krankschreibung gebraucht wird, auf einen wahren Fachärztemarathon. Bis man dann wirklich weiß, was einem, fehlt, ist man beim vierten Facharzt angelangt. Oder man findet es nicht raus und befindet sich eben im Dauermarathon - inklusive gar lustiger medikamentös getriebener Therapieversuche.

Apropos Medikamente: dunkel erinner ich mich, dass man damals durchaus mal mit einem Medikament auch etwas behandeln und abstellen konnte. Heute gibt's zur Schmerztablette auch eine Aufbautablette für die Magenschleimhaut und noch zwei, drei andere Mittelchen, welche die Nebenwirkungen kompensieren sollen. Die Ursache für den Schmerz? Die findet natürlich niemand und so wird daraus auf Dauer ein chronisches Leiden. Und das ist nur erträglich mit einem Cocktail unterschiedlichster Medikamente, wovon keins die Ursache angeht, ein- oder zwei zur Symptomunterdrückung dienen und der Rest der "Medi-Smarties" nur Neben- und Wechselwirkungen abstellen soll.
Der so leidgeplagte Mensch, der sich vielleicht mal ein älteres schulmedizinisches Buch greift oder sich mit Leidgenossen unterhält, kommt irgendwann drauf, mal zum Heilpraktiker zu gehen. Die sind dieser Tage verpönt - weil "unwissenschaftlich". Seltsamerweise kommt der Heilpraktiker aber auf die Idee, mal die Wirbelsäule zu massieren - und nach einem lauten Krachen ist dann der Schmerz auf einmal weg. Chronische Schmerzen wegen verschobener Wirbel sind ja durchaus keine Seltenheit und sehr schnell behandelbar, wenn man denn kein Interesse dran hat, den Leidgeplagten lieber mit teuren Medikamenten einzudecken..
Ist am Ende der Heilpraktiker verpönt, weil er PRAKTISCH HEILT?

Die Pharmaindustrie hängt einem vom Profit getriebenen Geschäftsmodell an: die brauchen die Kundenbindung, um immer weiter Medikamente verkaufen zu können. Ein Patient, der gesundet, kommt ja nicht wieder. Der braucht keine Schmerzmittel, der braucht auch keine Mittel, welche Nebenwirkungen kompensieren. Der ideale Pharma-Kunde ist idealerweise kerngesund, aber nimmt alle möglichen Medikamente für eingeflüsterte Krankheiten oder zur Prophylaxe - weil, wer sich heute für gesund hält, weiß nur einfach nicht, dass er eigentlich krank ist. So ist es doch, oder?

Und die Facharzt-Marathons? Jeder Arzt verdient am Patienten mit - es ist ein einträgliches Geschäft, sich Patienten zuzuschanzen und durch das System zu schleusen. Der Patient, der nach zwei Fachärzten schon gesundet, ist nunmal unattraktiver als einer, den man durch vier, fünf oder mehr Ärzte behandeln lassen könnte. Tja, Behandlungspauschalen haben halt zu völlig falschen Anreizen geführt.

Darum bin ich "Gesundheitsketzer": ein Gesundheitssystem mit profitorientierten Teilnehmern oder grundsätzlich profitorientierter Ausrichtung kann nicht im Sinne der Patienten sein. Das gehört überführt zu einem nur dem Allgemein- und Patientenwohl ausgerichteten System. Geht es dem Patienten wohl, gesundet also der Patient, dann wird er umso schneller auch wieder Teil der produktiven Gesellschaft. Damit dient ein Gesundheitssystem, das zuforderst an Heilung und nicht an (kostenintensiven) Therapien interessiert ist, dem Allgemeinwohl.

Tja.

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