Wenn man einen Frieden in der Ukraine erreichen möchte, muss man in der Analyse anders vorgehen als sich strikt darauf zu beschränken, was die Ukraine für einen Sieg benötigt.
Bei diesen Überlegungen sollte man berücksichtigen, dass Russland faktisch zu einem faschistischen Staat umgebaut wurde und das russische Volk nicht mehr über Krieg und Frieden entscheiden darf, sondern nur mittelbar Einfluss hat indem die russische Regierung eine Revolte vermeiden muss - diese Revolte kann aber auch passieren, wenn die Bedingungen für Russland zu hart werden.
Man muss sich überlegen: Was sind denn für die Ukraine überhaupt die Gründe, warum man sich so verbissen verteidigt? Aus meiner Sicht ist es das von Russland euphemistisch "Entnazifizierung der Ukraine" genante Kriegsziel, das einem Genozid gleichkommt - was Russland vorhat, hat man seit 2014 im Donbass und seit 2022 in Russland sehen können: Unterdrückung allen Ukrainischen (Sprache, Kultur) bis zu dem Punkt, dass Grundlos Hass gesäht wird, Unterdrückung freier Meinungsäußerung, Verhaftung, Folter und Ermordung Andersdenkender - das ganze Spektrum von (je nachdem wie man es ausdrücken möchte) Faschismus und Stalinismus.
Kein Verhandlungsvorschlag Russlands hat bisher erkennen lassen, dass dieses russische Ziel aufgegeben wird.
Solange dieses Ziel aber weiterbesteht, braucht die Ukraine starke Verbündete, falls sie sich auf einen Waffenstillstand einlassen soll (denn der birgt immer die Gefahr, dass es danach umso schlimmer weitergeht, siehe die Abfolge Minsker Verträge - Überfall 2022). Fällt die Ukraine, dann wird das für Europa deutlich teurer als sie noch jahrelang weiter zu unterstützen, vor allem weil die Sanktionen gegen Russland dann nicht einfach verschwinden werden.
Will man Frieden in der Ukraine, geht es nicht ohne dass man massiven Druck auf Russland ausübt, dieses Ziel aufzugeben. Da es hierbei nur um ein ideologisches Ziel geht, würde ich nicht prinzipiell sagen, dass Russland daran zerbrechen würde - die Frage ist eher, wie man erreichen kann, dass dieser Druck aufgebaut wird; hier sehe ich die jetzige Vorgehensweise mit Sanktionen und (sehr moderaten) Waffenlieferungen als gescheitert an.
Die Sanktionen wirken in gewisser Weise, aber sie wirken nur langsam - und schädigen den Westen dabei auch noch.
Die Waffenlieferungen waren bei weitem zu zaghaft, und außer bei Handfeuerwaffen sind die Ukrainer den Russen bei praktisch allen Waffensystemen extrem unterlegen. Eine Unterstützung "so lange wie nötig" ist das nicht, eher ein "so wenig wie möglich".
Was bisher nicht gemacht wurde: Eine Drohung an Russland, dass eine bestimmte Art Waffen oder bestimmte Mengen (die für Russland wirklich bedrohliche Wirkung entwickeln könnten) geliefert werden, wenn Russland nicht unmittelbar alle Angriffe einstellt und sich für ernsthafte Verhandlungen öffnet. Vielleicht sollte der Westen mal anfangen, in diese Richtung zu arbeiten - sonst wird dieser Krieg noch Jahre oder Jahrzehnte mit täglich mindestens hunderten Toten weitergehen.