Es liegt eine große Tragik in der Tatsache, dass westliche Politiker und gerade die zivilisiertesten unter ihnen, den feinen, aber entscheidenden Unterschied zwischen einer Drohung und einer Warnung nicht erkennen können oder wollen.
Niemand hat das jemals besser ausgeführt als Mario Puzo in seinem Mafia-Roman “Der Pate” (Godfather): Wer droht, will den Gegner emotional ansprechen, seinen Verstand ausschalten und einschüchtern, um die Eskalation zu vermeiden. Das ist die billige Lösung und wird bei schwachen Gegnern angewendet.
Doch Putin nahm an, dass der Westen kein schwacher Gegner ist. Darum warnte er und drohte nicht. Eine Warnung spricht der Mafioso aus, wenn er davon ausgeht, dass der Gegner rational denkt und handelt. Er geht von einem Ökosystem und Demarkationslinien aus, die jedem einleuchten müssten. Hier die eine Familie, dort die andere. Es ist genug für alle da, sagt er und glaubt, der andere würde auch am liebsten seinen Geschäften nachgehen.
Dumm nur, wenn sich der Pate getäuscht hat und die gegnerische Partei nicht so schlau ist, wie er dachte und die Warnungen unbesehen in den Wind schlägt. Hätte er mal lieber großmäulig gedroht, statt schmallippig zu warnen, wird er sich inzwischen sagen. Dann gäbe es vielleicht keinen Krieg. Das war es sicher nicht, was die regierenden Russen wollten. Denn jetzt müssen sie den Weg bis zum bitteren Ende gehen. Per Definition steht jeder Mafioso immer mit den Rücken zur Wand. Sieg oder Auslöschung, drunter läuft es nicht.
Uns allen wurde und wird jede russische Einlassung bezüglich NATO-Osterweiterung bislang als haltlose Drohung verkauft, obwohl Ober-Mafioso Putin und seine Vasallen zuvor im Klartext jede Menge Warnungen ausgesprochen haben. Die roten Linien, das war kein Bluff. Und es gab zu keinem Zeitpunkt auch nur den geringsten Grund zur Annahme, dass die russischen Offiziellen bluffen.
Schwer zu sagen, was davon weniger schmeichelhaft ist für den Westen: Nur grassierende Unbildung oder Realitätsverzerrung können einen dazu bringen, jetzt so zu tun, als sei der Krieg gegen die Ukraine überraschend gekommen.
Und wenn sich der Krieg bis zum Atomkrieg ausweitet, dann darf auch das nicht als Überraschung gelten: Man muss Putin und seine Leute nicht mögen, und schon gar nicht entschuldigen, um anzuerkennen, dass sie existieren und genügend häufig ihre Warnungen ausgesprochen haben.
Was würde Don Corleone sagen? Ich habe ihn gewarnt, aber er wollte nicht hören…