Puuh - jetzt muss man auch noch Angst um das deutsche Bildungssystem haben. Denn wenn Professoren für Journalismus in Interviews solch oberflächliche Positionen zur Medienberichterstattung vertreten, dann ist es schlecht um unseren journalistischen Nachwuchs bestellt.
Kim Otto:
Hier war ein Wirtschaftsjournalismus gefordert, der umfassend, ausgewogen, hintergründig, vielfältig und neutral über relevante Aspekte und Vorgänge informiert, um seiner gesellschaftlichen Aufgabe nachzukommen.
Mann Otto, das mag sich zwar für Grundschüler der vierten Klasse gut anhören, das hat aber mit Journalismus wenig bis nichts zu tun. Eine ausgewogene, vielfältige und neutrale Berichterstattung gibt es nicht. Jeder Beitrag in der Presse, geht er über die Beschreibung eines einfachen Sachverhalts hinaus, ist geprägt von der persönlichen Wertung des Schreibers, von seiner subjektiven Auswahl und Gewichtung der Argumente, von der politischen, religiösen oder kulturellen Tendenz, die sein Arbeitgeber ihm vorgibt.
Aus der Erkenntnis heraus, dass es eben solch "objektive" Berichterstattung nicht gibt und auch nicht geben kann, ist jene Pressevielfalt erst entstanden, die wir heute quer durch alle Medien haben.
Mal zu Erinnerung - es gibt im Pressewesen so etwas wie einen Tendenzschutz. Das bedeutet, dass der Verleger oder Inhaber des Mediums die politische Richtung vorgibt. Wer dagegen verstößt, kann ohne weitere Begründung entlassen werden.
Ein Problem daraus ergibt sich nur dann, wenn es eine eingeschränkte Pressefreiheit gibt. Wenn die Medien sich ausschließlich in der Hand der Herrschenden oder der besitzenden Klasse befinden. Ansonsten ist immer der intelligente Leser gefordert, der bei der Beurteilung der Medieninformation auch dessen Tendenz mit einbezieht und die Informationen entsprechend gewichtet.
Mensch Otto - und am Ende forderst du auch genau das, was du über weite Strecken beklagst, nämlich den politischen Tendenzjournalismus mit pädagogischem Zeigefinger - entsprechend deinem Auftraggeber aus der Gewerkschaftsecke, was eigentlich nicht verkehrt ist.
Kim Otto:
Dafür muss er Kriterien journalistischer Qualität einhalten, damit in dieser griechischen Staatsschuldenkrise in der Bevölkerung keine Verunsicherung entsteht...
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Ich glaube wir Journalisten müssen eine europäische Perspektive einnehmen. Angesichts der Bedeutung europäischer Institutionen und Zusammenhänge in der Wirtschaftspolitik ist eine europäische Perspektive im Wirtschaftsjournalismus von besonderer Relevanz.
Also Otto - wenn in der heutigen Debatte über Griechenland die gewerkschaftlichen Positionen zu kurz kommen, so mag das bedauerlich sein. Das sagt aber eher etwas über den Zustand der Gewerkschaftsbewegung in unserer Gesellschaft aus - als über den Zustand der Presse.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.05.2016 12:10).