Stephan Geue schrieb am 17.04.2017 12:45:
Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt: Die Betonung hätte auf *zusätzlich* liegen müssen. Es wird nicht nur Vermögen vorübergehend verlagert, was das "Basispaar" aus Guthaben und Schuld erzeugt, sondern *zusätzlich* das "Zinspaar" aus Zinsguthaben und Zinsschuld. Somit liegt nicht die gleiche Situation wie beim Restaurantbesuch vor.
Doch, es ist die gleich Situation: Nach Rückzahlung des Kredits hat die Bank ein Guthaben gegenüber dem Kreditnehmer, und der Kreditnehmer hat Schulden gegenüber der Bank.
Nachdem der Gast sein Essen aufgegessen hat, hat der Wirt ein Guthaben gegenüber dem Gast und der Gast hat Schulden gegenüber dem Wirt.
Warum ist in dem einen Fall das Auftreiben von Geld für die Schuldbegleichung ein Problem, im anderen Fall nicht?
Beleuchten wir die doch mal kurz anhand zweier konkreter Beispiele:
1. Da ist ein typischer Arbeitnehmer, der sich eine neue Küche "gönnen" möchte, sie sich aber nicht leisten kann. Also nimmt er einen Konsumkredit auf. Die Bank beansprucht m.W. keine weiteren Sicherheiten als eine Schufa-Auskunft. Die Laufzeit des Kredits geht über z.B. fünf Jahre, mangels echter hinterlegter Sicherheiten zu einem eher hohen Zinssatz. Worin liegt die Leistung der Bank?
Daß die Bank für 5 Jahre selber keinen Zugriff auf das verliehene Geld hat bzw. 5 Jahre lang für den verliehenen Betrag selber geradesteht ist die eigentliche Dienstleistung. Wenn der Schuldner nicht zurückzahlt, darf die Bank für den Betrag aufkommen.
Daß die dafür verlangte Vergütung ungefähr proportional zur verliehenen Summe und zur Laufzeit ist, sollte logisch erscheinen. Und läuft damit auf eine Prozentzahl hinaus.
Welche Dienstleistung hat der Kreditnehmer dem Kreditgeber gegenüber erbracht?
Keine natürlich. Er berechnet ja auch nichts.
Also ist der Tauschhandel - ich gebe dir was, du gibst mir was - in diesem Moment noch nicht abgeschlossen.
Die Bank hat dem Kreditnehmer etwas gegeben, nämlich die Überlassung von Geld für einen bestimmten Zeitraum. Der Kreditnehmer hat der Bank nichts gegeben. Folglich hat die Bank noch etwas gut gegenüber dem Kreditnehmer, bis dieser den Tauschhandel komplettiert, indem er der Bank gegenüber etwas leistet. Und solange bleibt das Guthaben-Schuldenpaar selbstverständlich bestehen.
Geld ist ja lediglich eine Vereinfachung bzw. Abstraktion des Tauschhandels, welches ja wohl unzweifelhaft ein Nullsummenspiel ist.
Geld ist kein Tauschhandel, auch keine Abstraktion des Tauschhandels. Geld ist ein Tausch*gut*. Das mag als Haarspalterei erscheinen, ist aber hoffentlich unstrittig.
Natürlich ist das ein Tauschgut. Mit dem man, wie du ja auch sagst, gar nichts direkt anfangen kann.
Was ich sagen wollte ist, daß Geld den Tauschhandel vom direkten Tausch auf einen zweistufigen, indirekten Tausch und damit auf eine abstraktere Ebene bringt. Statt Eier gegen Wolle zu tauschen, tauscht man erst Eier gegen Geld und unschließend Geld gegen Wolle. Basis ist aber nach wie vor Tauschhandel.
Und genau dieser Tauschhandel ist bei dem angeblichen Problem der fehlenden Zinsen im System noch nicht komplett. Einer hat etwas beim Tausch hergegeben, der andere noch nicht. Klar, daß man aus genau dieser Situation dann Probleme konstruieren kann.
Wenn man bei einer Tausch-Transaktion aber plötzlich nur die eine Waren/Dienstleistungsübergabe (A gibt B Ware M) betrachtet und den zweiten Teil (B gibt A Ware N) wegläßt, dann bleibt natürlich ein Paar aus Schulden und Guthaben.
Unstrittig.
Funktioniert Tauschhandel also nicht?
Diese Ableitung verstehe ich nicht.
Wenn bei einem Tauschhandel nur der eine Waren rüberschiebt, der andere aber nicht, dann bleibt ein Paar aus Guthaben und Schulden. Unstrittig, sagst du. Ich auch.
Nun hat bei deinem Fall des Geldverleihs die Bank die Ware "Geldüberlassung für einen bestimmten Zeitraum" schon rübergeschoben, der Kreditnehmer jedoch nichts im Gegenzug. Also bleibt ein Paar aus Schulden und Guthaben. Wenn das bei Geldverleih ein Problem ist, warum ist es dann keins bei einem unvollständigen Tauschhandel?
Übrigens: Um die als Geld nicht vorhandenen Zinsen abzubezahlen, kann der Kreditnehmer im einfachsten Fall eine Dienstleistung wie zum Beispiel Bankfilliale saubermachen erledigen. Er wird von der Bank bezahlt und kann mit dieser Bezahlung auch seine fälligen Zinsen an die Bank zurückzahlen. Damit ist das Tauschgeschäft komplett und es bleibt kein Guthaben-Schulden-Paar mehr übrig.