Stephan Geue schrieb am 17.04.2017 14:50:
Diesen Tatbestand bestreite ich ja nicht, sondern nur seine Berechtigung. Und das tue ich auch nicht auf moralische Weise, denn es ist ja erlaubt, für den Geldverleih nicht nur die Rückzahlung des Kredits zu verlangen, sondern zusätzlich Zinsen. Es ist nur aus volkswirtschaftlicher Sicht unzweckmäßig, schädlich und geldtechnisch sogar ein Paradoxon, ein "funktioniert nur, solange hinreichend viele glauben, dass es funktioniert". Essen kochen und servieren ist eine Leistung. Geld verleihen ist keine Leistung, jedenfalls keine, deren Preis auch nur annähernd in Relation zu dieser Leistung steht.
Du solltest dich da schon entscheiden. Ist für das Wirtschaftsmodell gesehen das Vermieten von Geld eine Leistung oder nicht?
Ob es eine solche Leistung ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob man es persönlich als zu teuer oder so empfindet. Die Kreditnehmer finden den Preis für die Leistung anscheinend angemessen, sonst würden sie ja keinen Kredit aufnehmen. Das ist übrigens ein weiteres Indiz dafür, daß es sich um eine Leistung handelt, sonst würde ja keiner Geld dafür bezahlen.
Wenn es dich stört, daß der Kreditgeber Einnahmen erhält, ohne einen Finger dafür zu krümmen, würde es etwas an den Zahlungsströmen und Bilanzen ändern, wenn der Kreditgeber dem -nehmer für jede angefangenen 10.000 Euro jedes Jahr einen Handstand vorführen würde? Dann hätte der Kreditgeber schließlich eine körperliche Tätigkeit ausgeführt, und dann müßten sich die angeblichen Probleme ja alle in Luft auflösen.
Das Auftreiben von Geld ist prinzipiell in beiden Fällen dasselbe Problem. Das Wohin des Geldes macht den Unterschied: Im einen Fall fließt das Geld an jemanden, dessen Lebensunterhalt damit bestritten wird, m.a.W., er wird es im gleichen Zeitraum, in dem er es verdient hat, auch wieder ausgeben, konsumieren. Im Fall der Bank fließt der (i.d.R.) größte Teil des Zinses an jemanden, der dies seinem Vermögen zuschlägt.
Und was heißt "dem Vermögen zuschlagen"? Es heißt ja gerade nicht, daß die eingenommenen Zinsen als Bargeld wie bei Dagobert Duck in den Tresor gelegt werden. Das durch Zinsen eingenommene Geld wird der Empfänger
- für seinen Lebensunterhalt ausgeben, damit gelangt das Geld in den Kreislauf zurück
- investieren, damit gibt er das Geld für Unternehmensanteile oder Immobilien (oder sonstwas) aus, damit gelangt das Geld in den Kreislauf zurück
- als Kredit ausgeben, was bedeutet, daß er das Geld jemand anderem gibt, der es wiederum ausgibt, wodurch das Geld in den Kreislauf zurückgelangt
Wo also ist denn nun das Problem mit durch Zinsen eingenommenem Geld?
Und wieso ist es kein Problem, daß durch reguläre Arbeit eingenommenes Geld zumindest zum Teil ins eigene Vermögen gesteckt wird?
Dass die Bank für 5 Jahre selber keinen Zugriff auf das verliehene Geld hat bzw. 5 Jahre lang für den verliehenen Betrag selber geradesteht ist die eigentliche Dienstleistung. Wenn der Schuldner nicht zurückzahlt, darf die Bank für den Betrag aufkommen.
Sortieren wir mal zwei wesentliche Dinge auseinander. Dass die Bank quasi gleich noch ein Kreditausfallversicherungsinstitut ist, das ist eine echte Dienstleistung. Es gibt ein Ausfallrisiko größer Null, das - wie das bei jeder Versicherung der Fall ist - mit einer kalkulierten Versicherungsprämie belastet werden muss. Manche Banken bieten jetzt schon zusätzlich zum Kredit eine solche Versicherung an, so quasi nach dem Motto: Wenn du deinen Job verlierst, verlierst du wenigstens nicht auch noch dein Haus.
Ich meinte damit keine Kreditausfallversicherung, die den Schuldner schützt.
Ich meine damit, daß die Bank, die so einfach "aus dem Nichts" Guthaben auf das Konto des Schuldners gezaubert hat, für diesen Betrag auch echt bürgt. Dieses aus dem Nichts geschaffene Geld zirkuliert nämlich irgendwo im Geldkreislauf als Forderung gegenüber der Bank herum. Die Bank kann den Betrag nicht einfach wegstreichen, nur weil sie ihn einfach aus dem Nichts geschaffen hat. Der Preis für die Zurverfügungstellung des Betrags und für die Bürgschaft richtet sich danach, wie groß die Nachfrage danach ist, wie hoch der Betrag ist und wie lange das dauern soll. Und dann kommt eben eine Prozentzahl in Relation auf den Betrag heraus.
Je weiter der Kredit zurückgezahlt ist, desto geringer müsste dieser Anteil werden, denn der Ausfall eines z.T. zurückgezahlten Kredits ist ja kein so großer Verlust mehr wie gleich zu Beginn.
So wird es auch gemacht. Zumindest bei Baukrediten. Zu Beginn zahlt man größtenteils Zinsen, und im Laufe der Zeit wird der Zinsanteil kleiner und der Tilgungsanteil größer.
Der Kredit wird per Geldschöpfung ausgereicht. Das Geld, das da verliehen wird, hat niemand eingezahlt. Beziehungsweise - im Zeitalter von 1...2 Prozent Barreserve - ein Fünfzigstel bis ein Hundertstel dessen, was da ausgezahlt wird, hat jemand eingezahlt, und *darauf* mag jemand derweil verzichten - sonst niemand und auf nichts.
Das ist falsch. Lassen wir den Reserveanteil von 1% mal weg, weil es einfacher ist und er auch keine Rolle spielt, und schauen uns mal ein Extrembeispiel an, damit es klarer wird:
Eine Bank ist von einem Kunden überzeugt und räumt ihm einen Kredit über 100 Milliarden Euro (kurz 100M) ein. Kann sie ja machen, sie kann dem Kunden diesen Betrag einfach gutschreiben.
Nun geht der Kunde einkaufen und kauft sich was für 20M bei Sito's ein. Das Geld überweist er auf Sitos Konto, das bei derselben Bank liegt. Kein Problem, die beiden Konten werden angepaßt, ist ja nur eine bankinterne Umbuchung.
Nun kauft der Kunde für 20M bei G&L ein und überweist das Geld wieder. G&L haben das Konto bei einer anderen Bank. Die Kunden-Bank will also bei der G&L-Bank 20M gutschreiben. Nur, warum sollte die G&L-Bank das machen? Das macht sie nur, wenn Kunden-Bank über diesen Betrag einen Kredit bei der G&L-Bank aufnimmt, und das ist auch der G&L-Bank zu riskant. Geht also nicht.
Dann möchte der Kunde noch 20M in bar abheben. Dazu muß die Bank bei der Zentralbank 20M in bar anfordern. Dazu möchte die Zentralbank Sicherheiten in Höhe von 20M haben, hat die Bank aber nicht, geht also nicht.
Man sieht also, Banken können nicht so einfach jeden beliebigen Betrag einfach so als Kredit erschaffen. Sie sind auf echte Einzahlungen also sehr wohl angewiesen.