Ich schau mir so alle Woche mal die Landkarte der Ukraine an. Ja, die Russen sind nicht in Kiew. Aber vielleicht war das ja gar nicht das Ziel des Krieges? Ich meine, wir "wissen" ja am Ende auch nur das, was die offiziellen Kanäle hüben wie drüben sagen. Wer sagt, dass irgendeine Seite davon die Wahrheit sagt?
Im Moment halten die Russen die beiden Volksrepubliken Donezk & Donbass mehr oder weniger intensiv besetzt. Das ganze ist im Grunde der Stand seit 2, 3 Monaten mit marginalen Frontverlaufsänderungen. Die letzte nennenswerte Veränderung kam mit dem Durchbruch der ukrainischen Armee bei Charkow. Soweit ich die Zahlen richtig im Kopf habe, wurde auf einen massierten Stoß mit ca. 50.000 Mann gesetzt, der einen tiefen Keil in das von den Russen besetzte Territorium getrieben hat.
Die dünne Verteidigungslinie wurde also mit einem Großangriff überwunden - und dass die Russen nur mit wenigen Einheiten den Frontabschnitt gehalten haben können, müsste man auch aus den Zahlen erkennen: es sollen ja wohl irgendso 100.000 - 150.000 russische Soldaten im Einsatz sein. Die können unmöglich die ewig lange Frontlinie komplett absichern und auch noch nennenswert Gegenwehr liefern, also wird punktuell auf Verteidigungszentren gesetzt werden.
Mit den gegebenen Mitteln kann Russland den Krieg eigentlich nicht gewinnen: es sind zu wenige Soldaten für alle ausgegebenen (bekannten) Ziele. Es sind zu wenige Soldaten um an allen wichtigen Schauplätzen gleichzeitig wirkungsvoll kämpfen zu können. Es sind zu wenige Soldaten, um die eingenommenen Gebiete zu besetzen - sie sind auf die Mitwirkung der Bevölkerung und Behörden angewiesen. Es sind auch zu wenige Soldaten, um alle weiteren Ziele zu erreichen.
Also WENN es ein Versagen gibt, dann bei der Dimensionierung der Armee passend zu den Aufgaben. Und selbst dafür scheint aber die russische Armee recht erfolgreich zu sein:
Die besetzten Regionen sind besetzt und abgesehen von dem einen Vorstoß der Ukrainer hat sich daran nichts geändert. Der Vorstoß selbst hat Kraft gekostet und könnte in einem Desaster enden, wenn die Russen es schaffen, die Nachschubwege zu blockieren und die Offensive dann wegen fehlendem Treibstoff und ohne Verpflegung für die Soldaten steckenbleibt. Damit die Offensive der Ukrainer Früchte trägt, müssten sie nochmal mit 100.000 Soldaten nachdrücken und die Frontline an der Stelle verbreitern, damit die Offensive an den Flanken nicht bedroht ist.
Und damit die Russen ihrerseits die selbst gesetzten Ziele erreichen, werden sie auch ihre Einheiten aufstocken müssen. Aber selbst die 300.000 Männer und Frauen, die jetzt im Rahmen der Teilmobilisierung zu den Waffen gerufen werden, reichen nicht (!) aus, um als Besatzungsarmee zu fungieren. Ist ein Kriegsziel also gar nicht die Besetzung der Ukraine, sondern "nur" die Absicherung der "Volksrepubliken"? Dass das Referendum nicht zugunsten der Ukraine ausgehen wird, davon gehe ich aus. Auch ohne Anerkennung dieses Referendums wird aber zumindest aus russischer Sicht dann von "Territorien" gesprochen werden. Und wenn's "nur" darum geht, dann könnten die aktuell rund 100.000 Soldaten plus die 300.000 Reservisten ausreichend sein, das Territorium abzusichern.
Ich kann, abgesehen von der erwähnten Dimensionierung der russischen Armee, auf Seiten Russlands keine echte militärische Unfähigkeit erkennen.
Bin aber nicht vom Fach.
Ich kann nur Karten lesen. ;-)