Es gibt keine "universelle Utopie". Mit dem Thema hab ich mich mal vor ein paar Jahren beschäftigt und bim zum Ergebnis gekommen, dass es keine Utopie gibt, die jeden glücklich machen kann. Für die einen mag es Utopie sein, sich um nix mehr kümmern zu müssen, ein Dach überm Kopf und einen gefüllten Kühlschrank zu haben, wenn der Preis dafür ist, "loyaler Staatsbürger" zu sein. Dem nächsten ist dies eine Dystopie, weil für die Vollumsorgung eben dafür viele Freiheiten aufgegeben werden müssen.
Auch umgekehrt ist es möglich: der eine will maximale Freiheiten und in seiner Utopie gibt es niemanden, der ihm Schranken und Grenzen vorgibt. Jeder hat die maximale Freiheit, sich so zu entfalten, wie er will. Und der nächste sieht darin eine Dystopie maximaler Anarchie, denn nicht nur Freiheiten sind hier zu finden, sondern auch Gewalt, Orgien und Tod.
Das mal in den Raum gestellt frage ich, welche Utopie es wohl sein kann, wenn die Grenzen von Nationen und Gesellschaften fallen und warum das besser ist als der aktuelle Zustand? Die Menschheit hat den größeren Teil ihrer Zivilisation ohne definierte Grenzen existiert und es gab trotzdem Kriege. Die Idee der Nation, so wie wir sie heute kennen, ist reichlich 250 Jahre alt in Europa und wurde u.a. von einem gewissen Napoléon forciert. Davor gab es nur Fürstentümer und Kleinstaaten mit fluiden Grenzen und noch mehr Kriegen. In der Antike gab es keine echten modernen Staaten, sondern wie z.B. bei den Griechen Stadtstaaten und unterworfenes Volk in der Peripherie drumrum. Bei den Römern war das halt dann eine Nummer größer. Also damals: keine Grenzen, keine Nationen, sondern unterworfene, tributpflichtige Völker überall. "Besser als heute"?
Der Mensch neigt zu Ordnung. Im Extremfall ist es Schubladendenken. Im positivsten Falle ist es aber einfach eine notwendige Grundordnung zum zivilisierten Zusammenleben. Der Nachbar hat seine Scholle, seine Hecke, seinen Zaun, sein Haus drauf und seine Familie. Und das ist gut so. Es wäre doch Chaos pur, wenn es diese Abgrenzung nicht gäbe, sonst wäre des Nachbarn Frau auch "verfügbar" für dessen Nachbarn oder für mich. Auch das Eigentum ist dann jedermanns und wenn mein Kühlschrank leer ist, geh ich dann rüber, weil dort was drinliegt? Wäre das fair? Selbst wenn ich meinem Nachbarn erlauben würde, meinen Kühlschrank zu nutzen, aber nie was reinlege, was dann?
Was im Kleinen die nachbarschaftlichen Grundstücke sind, sind im großen eben nationale Grenzen. Das kann man gut finden oder nicht. Ich finde es gut. Und ich empfinde es als Dystopie, wenn diese Grenzen fallen würden. Nicht als Dystopie empfinde ich eine gemeinsame globale Regierung, die wiederum aus Vertretern nationaler Regierungen wie in einer Föderation oder Union gewählt würden. Souveräne Staaten die in Kooperation global handeln - das Gegengewicht zum entfesselten kapitalistischen Globalismus, der aktuell meint, mit Milliarden ganze Regierungen kaufen und Gesetze in seinem Sinne ändern lassen zu können.
Aber das nur so als Gedankenstriche unabhängig vom unseligen Ukraine-Krieg.