Verschweigt dieser Artikel absichtlich einen wesentlichen Aspekt des Kampfes um territoriale Souveränität?
Nicht der Grundsatz von "cuius regio, eius religio" begründet nämlich die Entstehung von Nationen auf einem souveränen Territorium, sondern die Parole von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", die - im Gegensatz zur Religionsfreiheit, die nur den Fürsten zustand - von der breiten Masse des Volkes getragen wurde.
Nationen als von einer breiten Masse Gleichgesinnter getragene Wertvorstellungen mit dem Streben nach eigenem Territorium, auf dem diese Wertvorstellungen umgesetzt werden, sind überhaupt erst nach der Französischen Revolution entstanden und wurden von enormer Begeisterung von den Bürgern gegen miiltärisch vorgetragene Restaurationsversuche verteidigt - ähnlich wie etwa zur gleichen Zeit die jungen USA ihre junge Nation gegen den britischen Kolonialismus verteidigten.
Nach der Französischen Revolution wurden diese Werte im Übrigen auch von den deutschsprachigen Elsässern mitgetragen und verteidigt, was noch bei der Besetzung des Elsass nach 1870/71 und im Ersten Weltkrieg zu ihrer harschen Besatzung durch das kaiserliche Besatzungsregime führte,
Auch wenn das aus der Französischen Revolution entstandene gewaltige Momentum prompt unter Napoleon zur Entfachung eines Imperialkrieges missbraucht wurde, kann man diese Begründung für die Nationwerdung keinesfalls nonchalant als "hoffnungslos veraltetes Prinzip" abtun.
Veraltet ist dagegen ein Nationalismus, der von oben verordnet wurde, um damit imperiales und chauvinistisches Agieren gegen andere Nationen zu begründen.
Insofern ist die ignorante Gleichsetzung des russischen und des ukrainischen Ringens, die hier implizit von Kleinebeckel betrieben wird, klar abzulehnen: Die Ukrainer streben nach eigenem Territorium um als eigenständige Nation die bereits in der Orangenen und Maidanrevolution verteidigten Wertvorstellungen umsetzen zu können, während Russland einen anachronistischen feudalistischen Imperialkrieg führt, um eben diese Nation zu zerstören.