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  • HerrMeLin

mehr als 1000 Beiträge seit 25.06.2001

Re: Wie bitte?

lalilalila schrieb am 03.12.2023 21:51:

Er hätte diesen Krieg ganz sicher nicht begonnen, wenn er nicht gedacht hätte, es wäre innerhalb von wenigen Tagen beendet. Und dass er den Zerfall der Sowjetunion für die größte Katastrophe des 20sten Jahrhunderts hält, ist so verrückt es auch klingt, leider auch wahr.

Ich bin sicher, in den letzten 4000 Jahren wurde nicht ein einziger Krieg geführt, der nicht auch mit den Befindlichkeiten der jeweiligen Staatslenker zu tun hatte.

Putin sieht die Ukraine aufgrund der Verflechtungen beider Staaten miteinander als zentralen Bestandteil Russlands an. Sie zudem einfach in ein Bündnissystem des Westens "entkommen" zu lassen", nachdem Russland so viel für die Ukraine getan hatte, kam für ihn nicht in Frage:

(Auszug aus Putins kompletter Rede an die Nation am 21.02.2021)
"Nach Expertenschätzungen, die durch eine einfache Berechnung der Preise für Energieträger bestätigt werden, betrug das Volumen der Vorzugskredite und der Wirtschafts- und Handelspräferenzen, die Russland der Ukraine gewährt hat, sich für den ukrainischen Haushalt von 1991 bis 2013 auf etwa 250 Milliarden Dollar.

Aber das ist noch lange nicht alles. Ende 1991 beliefen sich die Schuldverpflichtungen der UdSSR gegenüber dem Ausland und internationalen Fonds auf rund 100 Milliarden Dollar. Ursprünglich war man davon ausgegangen, dass diese Kredite von allen ehemaligen Sowjetrepubliken im Verhältnis zu ihrem wirtschaftlichen Potenzial solidarisch zurückgezahlt werden würden. Russland übernahm jedoch die gesamten sowjetischen Schulden und zahlte sie in voller Höhe zurück. Es hat diesen Prozess 2017 abgeschlossen."

Und dann zeigen die lokalen ukrainischen Eliten Russland das erste Mal den Stinkefinger:

(Auszug aus Putins kompletter Rede an die Nation am 21.02.2021)
"Im Gegenzug sollten die neuen unabhängigen Staaten auf ihren Teil des sowjetischen Auslandsvermögens verzichten und im Dezember 1994 wurden entsprechende Vereinbarungen mit der Ukraine getroffen. Kiew ratifizierte diese Abkommen jedoch nicht und weigerte sich später einfach, es umzusetzen. Es erhob Anspruch auf den Diamantenfonds, die Goldreserve sowie Eigentum und andere Vermögenswerte der ehemaligen UdSSR im Ausland.

Doch trotz der bekannten Probleme hat Russland immer offen, ehrlich und – ich wiederhole das – unter Wahrung seiner Interessen mit der Ukraine zusammengearbeitet, und unsere Beziehungen haben sich in einer Vielzahl von Bereichen entwickelt. So betrug der bilaterale Handelsumsatz im Jahr 2011 mehr als 50 Milliarden US-Dollar. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Handelsvolumen der Ukraine mit allen EU-Ländern im Jahr 2019, also noch vor der Pandemie, unter dieser Zahl lag."

Und dann zeigen die lokalen ukrainischen Eliten Russland das zweite Mal den Stinkefinger:

"Dabei springt es ins Auge, dass die ukrainischen Regierungen es vorzogen, so zu handeln, dass sie in den Beziehungen zu Russland alle Rechte und Vorteile, aber keine Verpflichtungen hatten.

Anstelle von Partnerschaft herrschte Abhängigkeit, die von den offiziellen Stellen in Kiew zuweilen geradezu als Kavaliersdelikt empfunden wurde. Es genügt, an die ständige Erpressung im Bereich des Energietransits und den banalen Diebstahl von Gas zu erinnern."

Und dann zeigen die lokalen ukrainischen Eliten Russland das dritte Mal den Stinkefinger:

"Ich sollte noch hinzufügen, dass Kiew versucht hat, den Dialog mit Russland als Vorwand zu nutzen, um mit dem Westen zu verhandeln, ihn mit einer Annäherung an Moskau zu erpressen und Vorteile für sich zu gewinnen: mit der Begründung, dass sonst der russische Einfluss in der Ukraine zunehmen würde."

Und dann zeigen die lokalen ukrainischen Eliten Russland das vierte Mal den Stinkefinger:

"Radikale nutzten die berechtigte Unzufriedenheit der Menschen aus, sattelten auf den Protest auf und führten den Maidan 2014 zu einem Staatsstreich. Dabei erhielten sie direkte Unterstützung aus dem Ausland. Die materielle Unterstützung des so genannten Protestcamps auf dem Maidan in Kiew durch die US-Botschaft betrug unseren Informationen zufolge eine Million Dollar pro Tag. Weitere sehr hohe Beträge wurden dreist direkt auf die Bankkonten der Oppositionsführer überwiesen."

Und der fünfte Stinkefinger, der das Fass vermutlich zum überlaufen brachte, war wohl die beginnende Russophobie mit ihren gesetzlich beschlossenen Maßnahmen, die Aufnahme des NATO-Beitritts in die Verfassung und eben die aus russischer Sicht verletzten Sicherheitsinteressen Russlands, die schon so lange angeprangert wurden.

Nun, dies sind zunächst einmal nur Behauptungen des russischen Präsidenten. Ob sie wahr sind und den Tatsachen entsprechen, sollte sich doch be- oder widerlegen lassen? Dafür haben wir Journalisten, Experten und hoch bezahlte Politikwissenschaftler. Ich zumindest habe bisher keinen einzigen Beitrag in unseren Medien gefunden Beitrag, der diese gesamte Rede mal intensiv auseinandergenommen hätte.

Ausnahmslos alle großen Medien stürzten sich auf die angeblichen "Wahnvorstellungen" und zerrissen die geschichtlichen Teile dieser Rede, die durchaus einen großen Teil der Rede in Anspruch nehmen, aber eben nicht die wesentlichen Punkte enthalten.

Putin sieht die Ukraine als durch und durch vom Westen infiltriert an und wollte sich wohl nicht ein weiteres Mal den Stinkefinger von den ukrainischen Eliten, die nun plötzlich für ihren Vorteil gen Westen driften wollten, zeigen lassen.

Ja, man kann durchaus sagen: Kriege hatten und haben auch in Zukunft immer auch mit persönlichen Befindlichkeiten und Ansichten der herrschenden Eliten zu tun. Es ist daher wichtig - und das ist Aufgabe der Diplomatie -, auf diese Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, wenn Kriege verhindert werden sollen.

Es spricht vieles dafür, dass Russlands Interessen nicht angemessene Berücksichtigung fanden.

Edit: Zitate ergänzt.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (04.12.2023 08:03).

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