Warum die Appelle auch von Koalitionspolitikern an ihm abprallen, begründet der Bundeskanzler nicht und verweist lediglich auf die Unterstützung seines "besonnenen" Kurses durch die Bevölkerung. Die wäre jedoch sicher zu größerer Zustimmung bereit, würde eindringlich erklärt, dass bei einem Sieg Putins die Kosten auch für uns viel höher wären, als was wir jetzt "auszuhalten" haben in puncto Flüchtlinge, Inflation, Energiekosten.
Dass die Soldaten in der Ukraine "auch für unsere Freiheit" kämpfen, lässt sich so gut wie jede Woche von Oliver Welke in der heute-Show vernehmen. Brigadegeneral a.D. Dr. Klaus Wittmann setzt dem noch mehr einen drauf. Geht es nach ihm, sollen Soldaten anderer Länder nicht nur für "unsere Freiheit" sterben, sondern auch, um für "uns" den Zugang zu Rohstoffen zu erkämpfen und "uns" durch ihren Tod Geflüchtete zu ersparen.
Als sei dieser Neokolonialismus nicht schon genug, soll der Krieg auch die Inflation beenden. Inflation mit Krieg beenden zu wollen - hatten "wir" das nicht schon mal in Deutschland?
Der durch den Krieg ausgelöste Preisschock löste seinerseits die Inflationsspirale von - in diesem Fall - Profiten und Preisen lediglich aus. Unterhalten wird die Profit-Preis-Spirale der Geldentwertung aber durch marktinterne Mechanismen. Eine Inflationsspirale kann unter Marktbedingungen nur durch eine massive Nachfrage nach Geld beendet werden, die so groß ist, dass sie den Verfall des Geldwertes bei 1-2% stabilisiert.
Die für eine derartige Nachfrage nach Geld notwendigen riesigen Kreditaufnahmen werden nur getätigt, wenn es riesige Profite zu erwarten gibt. Dabei ist es egal, ob wie im Keynesianismus ein geringer Leitzins die private Kreditaufnahme erleichtert oder ob der Staat wie im Neo-Keynesianismus direkt massive strategische Investitionen tätigt. Gesteigerte Profite können nur durch eine verstärkte Ausbeutung von Arbeitskraft erzielt werden. Krieg kann die Ausbeutung von Arbeitskraft für eine Volkswirtschaft aber nur steigern, wenn er zur Ausbeutung ausländischer Arbeit führt.
Die Unterstützung der Ukraine im Krieg sei nötig, um die Ukraine vorm Imperialismus zu bewahren, heißt es - und doch werden von diesem Krieg Ergebnisse erwartet, wie sie nur ein eigener imperialistischer Krieg bringen kann. Die Kriegsbeute ist schon eingepreist, wenn Waffen zu Waren werden, die zur Wahrung ökonomischer Interessen ver- und gekauft werden.
Die Bevölkerung der Ukraine für die eigenen Interessen kämpfen und sterben zu lassen, ist das Gegenteil von Solidarität. Solidarität bedeutet vielmehr, Menschen auch dann zu unterstützen, wenn es den eigenen Interessen nicht dient.
All jenen, die den "aufgeklärten" Egoismus predigen, sei gesagt, dass ihre Bemühungen zum entgegengesetzten Ergebnis führen, sobald die Mehrheit der "aufgeklärt" egoistischen deutschen Bevölkerung realisiert, dass ein Rückzug der russischen Armee vom ukrainischen Staatsgebiet weder zu einem Fall der Energiepreise, noch zu einem Ende der Inflation führt und außerdem (ähnlich wie ein Waffenstillstand) der russischen Armee die Möglichkeit gibt, sich neu aufzustellen und die nächste Offensive in der Ukraine oder anderswo zu starten.
Somit erweisen diese Neokolonialisten der Ukraine einen Bärendienst, auch wenn sie ihren Egoismus noch so sehr durch den Brustton der Überzeugung zu kaschieren versuchen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (06.10.2023 03:37).