Putin hat sich in Russland zum Alleinherrscher aufgeschwungen - sein Wort ist Gesetz.
Wie stark das mittlerweile ist, hat man am Anfang des Ukraine-Kriegs 2022 gesehen: Die Sitzung des SIcherheitsrats, der mit der Anerkennung der "Volksrepubliken" endete war eine pure Show - die Schauspieler hatten innerlich vor Angst gezittert, nur so kann man erklären, dass einem der Beteiligten die Worte so durcheinander gerieten, dass er gleich von der "Eingliederung" (statt "Anerkennung") der Volksrepubliken sprach.
Putin hat schon vor 20 Jahren gesagt, dass für ihn der Zerfall der Sowjetunion die schlimmste Erfahrung seines Lebens war. Ähnlich schlimm, vielleicht schlimmer war für ihn noch, dass die Ukraine sich mit dem Umsturz auf dem Maidan 2014 endgültig von Moskau als "großer Mutter" abgewendet hatte. Schlimm war auch, dass Russland historisch eben nicht in Moskau, sondern in Kiew seinen Anfang genommen hatte: Russland war das erste Fürstentum, das es schaffte sich dauerhaft den Steppenvölkern zu entziehen, die gegen Ende des Mittelalters Russland besetzt hatten und regelmäßig mit Überfällen heimsuchten wenn die Tributzahlungen ausfielen oder nicht groß genug waren. Erst mit der Befreiung von den Tataren begann die Vormachtstellung des fernen Moskau über die Ostslawen, die bis nach dem Zerfall der Sowjetunion anhielt. Hätte Putin eine Zeitmaschine, er würde sich in das Moskau von 1990 zurückversetzen lassen und hätte Jelzin vermutlich daran gehindert, medienwirksam auf einen Panzer zu klettern und sich den Moskauer Putschisten entgegenzustellen...
Russland ist die Nato nicht egal. Das große Problem mit der Nato ist, dass man die Staaten, die in ihr organisiert sind, nicht so einfach einschüchtern kann. Das hat Russland zuletzt 2021 mit den im Artikel genannten Ultimaten versucht (es waren keine Vertragsentwürfe, es waren Ultimaten - für einen Vertrag braucht man zwei Parteien, die etwas gemeinsam festlegen wollen). Es hat nicht funktioniet.
Russland hielt die Nato im Gegensatz zu dem Bild im Artikel 2022 für zu schwach, um auf den Angriff auf die Ukraine in irgend einer Form zu reagieren - hatten doch führende Vertreter vor dem Angriff noch gesagt, die Nato wolle sich nicht in einen Krieg zwischen Ukraine und Russland einmischen. Putins Ansatz war eher: Ich greife die Ukraine an, in wenigen Tagen ist das Schauspiel vorbei und dann schauen wir mal, wie schlecht sich EU und Nato dann anstellen werden.
Putin hatte aber leider die Rechnung ohne die Ukrainer gemacht. Er hatte Friedensliebe mit Feigheit verwechselt. Die Ukrainer hatten aber Putins Russland besser einschätzen gelernt, vor allem der seit 2014 im Donbass laufende Krieg hatte da die Überzeugung gebracht, dass sich Russland an keine Verträge hält, wenn es meint dass die Vertragsverletzung folgenlos bleiben würde.
Wie viel Verhandlungen mit Russland bringen konnte man heute sehen: Kaum hatte Viktor Orban in seiner inoffiziellen Friedensmission Russland verlassen, überzieht Russland die Großstädte der Ukraine mit einem Großangriff. Das macht kein Land, das verhandlungsbereit ist. Die Autoren dieses Artikels können gerne noch bis zum Krimkrieg die Historien Europas und Russlands zu Gemüte führen und da noch allerlei Gründe für den Überfall Russlands auf die Ukraine finden: Es ändert nix an der Tatsache, dass Russland einen verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine schon 2014 vom Zaun gebrochen hat und seine Führung alles tut, damit möglichst noch mehr Menschen in diesem elendigen Krieg verrecken (sorry für die böse Wortwahl, aber anders kann man es nicht beschreiben - wer wie die Autoren schreibt, hätte auch die Judenvernichtung im 3. Reich mit Hitlers Jugendtraumata zu erklären versucht).
Ich wünsche Viktor Orban viel Glück bei dem Versuch, dem Frieden einen Weg zu bahnen. Vielleicht sieht er aber auch ein, dass Russland keine Frieden will - sondern nur die Niederlage der Ukraine. Orban steht übrigens unter Zeitdruck: Wenn er nicht bis zum Ende seiner Ratspräsidentschaft Frieden hat, dann hat Ungarn nächstes Jahr kein Gas mehr - entweder Russland oder die Ukraine stellen die Gaslieferungen ein, der Transitvertrag läuft Ende 2024 aus.