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  • Guckstu

mehr als 1000 Beiträge seit 18.03.2024

Re: tja da kann man mal sehen

clayt0n schrieb am 21.09.2024 17:26:

Die 1:6 in Kursk ist durch die Sichtung der Videos von beiden Seiten entstanden.

Da ist dann die Frage, wie die Videos ausgewählt wurden. Z.B. welche Seite da stärker zensiert, oder welche Seite in der eigenen Filterblase einfach häufiger vorkommt. Das ist sehr leicht, sich da einen dummen Bias reinzuziehen.

Am ehesten würde ich auf Oryx schauen. Die nehmen auch nur verifizierte und validierte Videos, aber die kümmern sich sehr darum, auch wirklich alle Videos aus allen Filterblasen einzusammeln, und scheinen die Zahlen auch nicht schönzurechnen.

Generell gilt für mich: Die Partei welche die Luft- und Artillerie-Überlegenheit hat, erzielt in der Regel die größeren Verluste auf Feindesseite. Ausnahmen sind wenn größere Landoperationen durchgeführt werden. Das mag auf Kursk zutreffen, aber nur zu Beginn. Aktuell scheint es das typisch russische Prozedere zu sein: Aufklären, kaputt bomben, Leute und Material rein zur Einnahme. Das was dann vor Ort übrig ist von den ukrainischen Streitkräften ist marginal.

Die russische Seite in Kursk ist immer noch ziemlich desorganisiert, wie's scheint, da sind die üblichen Erfahrungswerte einfach nicht anwendbar.

Ich habe aber folgende Auflistung in der letzten Stunde gefunden die sich sogar grob mit meinen Beobachtungen deckt: https://docs.google.com/spreadsheets/d/1-WAlj1FZdzCKs-wdux7lJZsA5WgGqdffA1jkuZ3MKzc/edit?gid=196329112#gid=196329112
Geht leider nur bis August. Die Quelle ist jedoch pro russisch, aber wie gesagt, es deckt sich mit meinen Beobachtungen beider Seiten aus Kursk.

Da man bei russischen Quellen von starkem Bias ausgehen muss, heißt das eigentlich nur, dass deine anderen Quellen vermutlich ebenfalls einen starken prorussischen Bias haben.
Nicht, dass diese prorussische Quelle verlässlich ist.

Insbesondere tun die Russen gern zwei Dinge:
- Das gleiche Gerät mehrfach als zerstört melden.
- Zerstörungen von Decoys als Zerstörung eines echten Geräts melden.

Das hat auch seine Gründe:
- Der Abschuss von Westgerät bedeutet für den russischen Soldaten eine ganz erhebliche Prämie.
- Wenn der Vorgesetzte Zweifel am Abschuss anmeldet, überlässt man ihm eben einen Teil der Prämie.

Man braucht also für jeden Abschuss eine Geolokalisierung mit Zeitstempel, um sicherzugehen, dass das nicht zwei Drohnenaufnahmen desselben Geräts sind, und muss auch recht genau hinschauen, ob das zerstörte Gerät in Wirklichkeit nicht bloß eine Aufblaspuppe ist.
So Decoys werden übrigens mittlerweile so richtig mit Wärmesignatur und Radioemissionen gebaut. Sowas kostet zwar ein paar Tausender, ist aber immer noch viel billiger, als wenn echtes Gerät zerstört wird. Und die Ukraine setzt offenbar massiv auf die Dinger.
Das geht soweit, dass die Russen teilweise mehr zerstörte Panzer eines Westtyps gemeldet haben, als der Ukraine überhaupt jemals geliefert wurden.

Das heißt nicht, dass deine Zahlen völlig falsch sind.
Sondern nur, dass man selbst bei Videos ziemlich genau hinschauen und auswerten muss.
Ich hab nicht mal die Zeit, Videos zu sichten, geschweige denn sie genau auszuwerten, deshalb halte ich mich an Oryx, jedenfalls solange keine begründeten Zweifel an deren Zahlen aufkommen.

Aus meiner Sicht bleibt Kursk ein teures Manöver der Ukrainer. Die Ziele waren (neben Propaganda) die Russen von anderen Frontabschnitten abzuziehen und dort für Entlastung zu sorgen.

Gar nicht mal. Die Ukraine muss die Verlustrate zuungunsten der Russen hochtreiben, ob eine Front belastet ist oder nicht, ist weniger wichtig - und mit genügend Munition kann die Ukraine prima standhalten, mit zuwenig Munition ist es fast egal, ob sie die Front verlängert oder verkürzt.

Wenn die Verlustrate von 1:6 stimmen würde, hättest du Recht, Kursk wäre eine Katastrophe.
Aber ich halte die Zahlen für stark verzerrt, und auch bei Oryx würde ich erstmal schauen, ob die nicht die Zahlen aus Kursk erstmal raushalten - Oryx ist zwar im Grundsatz verlässlich, aber bei einer pro-ukrainischen Quelle wie Oryx erwarte ich, dass sie ukrainische Informationsembargos einhalten und manche Verluste erst dann melden, wenn sie taktisch nicht mehr relevant sind.

Das ist nachweislich nicht passiert. Niemand sieht eine Entlastung an der Front innerhalb der Ukraine.

Genau das ist völlig falsch. Die Front im Donbas ist nach allem, was ich höre und sehe, deutlich ruhiger geworden.
Der Artilleriebeschuss ist beispielsweise - lt. ukrainischen Quellen - auf ein Drittel der Vor-Kursk-Zeit runter. Wobei es natürlich schwierig ist, abzuschätzen, ob das an Kursk liegt oder an zerstörten Munitionslagern und zeitweilig unterbrochener Logistik.

Es gibt auch einige Einheiten aus der Ostukraine an der Kursk-Front.
Freuding meint, das seien bisher nur wenige, aber Freuding sieht natürlich auch nicht die, die noch in Zügen vom Donbas zur Front unterwegs sind.

Wie gesagt: Die Ukrainer meinen, die Russen hätten mittlerweile ~30.000 Soldaten in Kursk, und soweit ich weiß, haben die Russen weit unter 10.000 von bisher ruhigen Grenzabschnitten nach Kursk verlegt, es müssten also um die 20.000 im Donbas fehlen.
Vorausgesetzt, die ukrainische Angabe stimmt. Da die Ukrainer aber auf Goodwill angewiesen sind (im Gegensatz zu den Russen), sind deren Angaben in der Regel relative nahe an der Realität (im Gegensatz zu den Russen).

Zum neuen Thema Toropets Munitionslager muss man prüfen wieviel dort überhaupt getroffen wurde. Nach meinen Daten waren da maximal 20 Tausend Tonnen Munition gelagert. Davon die Mehrzahl in befestigten (neu gebauten) Bunkern. Die Treffer der Ukraine werden auf die alten, nicht befestigten Lager, erfolgt sein.

Das hängt sehr davon ab, ob die Bunkertore geschlossen waren.
Angesichts der eher laschen Moral der russischen Gefreiten würde ich da absolut nichts ausschließen - auch nicht, dass die Drohnen durch geöffnete Tore in die Bunker rein sind und es dort haben Thermit regnen lassen. Vielleicht mit Schrapnell vermischt, um mindestens ein paar Sprengstoffverpackungen aufzureißen, damit das Thermit rankommt.
Hm... obgleich... die meisten modernen Sprengstoffe reagieren auf Stoß oder Elektrizität, nicht auf Hitze. Wahrscheinlich doch reine Explosivdrohnen.
Dennoch. In den Bunker reinfliegen könnte einfacher sein, als man meint.

Und die Zielaufklärung machen ohnehin die proukrainischen Partisanen im Zielgebiet.
Der HUR hat ja sogar in Ostsibirien einen Tunnel der Transsib sprengen können.

Ob hierbei auch Munition in den Bunkern betroffen ist bleibt noch abzuwarten.

Ist eigentlich egal. Die Explosionen waren wirklich gigantisch, und schon die schiere Menge wird sich auswirken, egal ob da was im Bunker oder außerhalb explodiert ist.

Es ist auch folgendes Szenario möglich: Die Vorräte in den Bunkern waren nicht betroffen, die Russen ändern ihre Abläufe und machen wirklich alles immer sofort in die Bunker, was die Logistik beschleunigt.
In dem Fall wäre der Schaden viel größer als nur das, was da hochgegangen ist, denn sie hätten dann erstmal nicht genügend Bunker, um den gesamten Nachschub zwischenzulagern - die Sprengstoffe waren ja mit Grund außerhalb der Bunker.
Ist jetzt reine Spekulation. Nur zur Demonstration, was alles an Auswirkungen möglich ist, die man erstmal gar nicht sieht.

Zum Thema Ukraine ist durch folgende Links:
Warum die Front in der Ukraine durch ist: https://www.pravda.com.ua/eng/articles/2024/09/17/7475408/
Budanov wird wohl gehen müssen: https://www.pravda.com.ua/eng/news/2024/09/20/7476049/

Also, die Prawda würde ich ja nun wirklich nicht als Informationsquelle nutzen.

Du kennst übrigens den Unterschied zwischen den russischen (slawischen) Begriffen für Wahrheit?
"Prawda" ist die wünschenswerte Wahrheit. Also in der Praxis das, was der Sprecher wünscht, das es wahr sei. Die Propaganda mit Wahrheitsanspruch trotz dreister Lüge, und vielleicht ist es ja eine Aussage über die Zukunft, oder eine Aussage über den Standpunkt, den man in der Öffentlichkeit gefälligst einzunehmen hat.
"Istwina" ist die reale Wahrheit. Die kommt nicht in die Öffentlichkeit, sondern ist auf Gespräche "am Küchentisch" (das ist so die russische Redewendung) beschränkt.
Das Zwiedenk ist in der russischen Sprache also tatsächlich so angelegt, das hat sich Orwell gar nicht erst ausgedacht...

Sehr instruktiv ein Video von Martti Kari, einem Informationsoffizier der Finnen in Russland. Er hält da einen Vortrag an der Helsinging Yliopisto (Universität von Helsinki). Der hat sich sein ganzes Berufsleben damit befasst, herauszufinden, wie die russische Politik tickt, und wie die Bevölkerung das sieht; das ist sicherlich nur eine einzige persönliche Perspektive, aber zumindest von einem Beobachter, der sehr genau hinschauen musste, um seinen Job gut zu machen, und dem das offenbar auch wichtig war.

Das russische Militär ist unbeeindruckt von Sanktionen:
https://www.washingtonpost.com/opinions/2024/09/19/russia-navy-putin-ukraine/

Nein, das sagt der Artikel nicht.
Die Sanktionen verhindern ja nicht die russische Wirtschaft, sie beeinträchtigen sie und schwächen sie und damit auch das russische Militär.

Und während wir hier bequem aus unseren Sesseln schreiben prasseln pro Tag hunderte von Bomben, Tausende von Granaten und dutzende von Iskandern und Co. auf die ukrainischen Streitkräfte nieder.

Fast richtig - so viele Marschflugkörper haben die Russen nicht, dass sie täglich Dutzende verfeuern können. Das passiert nur an wenigen Tagen, weil die Russen dann die Luftabwehr überfordern wollen.

Daher meine Behauptung weiterhin: Nach der Einnahme von Pokrowsk in den nächsten Wochen war es das.

Im Moment ist von einem Vorrücken bei Pokrowsk nichts zu sehen.
Aber selbst wenn: dann beziehen die Ukrainer halt die nächste Verteidigungslinie. Es ist ja mehr als genug Zeit, Linien vorzubereiten.

Einige der überraschend großen Geländegewinne der Russen der letzten Tage (Wochen) waren die Ukrainer, die sich da einfach auf die weiter hinten liegende Linie zurückgezogen haben, um die Russen wieder anrennen und ausbluten zu lassen. Stadtgelände ist einfach super wirksam zu befestigen, da macht man die Stellungen lieber in der Stadt als 5 km davor.

Es ist halt wie immer im Abnutzungskrieg: Die Geländegewinne sind fast irrelevant, es zählt die Abnutzung.
Bis irgendwann eine Seite so stark abgenutzt ist, dass sie ihre Front nicht mehr halten kann.

Das ist wie beim Armdrücken. Das kann durchaus mehrfach hin und her gehen, bis einem dann doch plötzlich und recht abrupt die Kraft ausgeht, und dann geht's schnell.

Im Moment würde ich da keine Voraussage wagen.
Die Ukraine schwächelt im Donbas, die Russen bei Kursk, und letztlich zählt in beiden Fällen nur, ob der Frontdurchbruch dauerhaft weitere Erfolge nach sich zieht oder nicht.
In Kursk sah es zeitweise fast so aus, als sei so ein Durchbruch möglich, aber wirklich damit gerechnet hat eigentlich niemand, die gegenwärtige Erfolge übertreffen alles Erwartete - andererseits: Genau so sieht der Beginn eines echten Durchbruchs aus.
Russland ist da tatsächlich angezählt. Fragt sich, ob da wirklich das K.O. folgt oder niht.

Im Donbas hingegen weichen die Ukrainer zwar zurück, aber langsam und sie bluten Russland aus.
Genau so und nicht anders führt man einen erfolgreichen Abnutzungskrieg.
Wobei der entscheidende Parameter ist, wer seine Reserven schneller verbraucht, als er sie auffüllen kann.

Das ist asymmetrisch.
Die Ukraine kann praktisch unbegrenzt lange auffüllen, solange der Westen liefert. Gerade ging erst wieder durch die Presse, dass die Ukraine zwar 14 Battaillone aufstellt, aber nur 4 davon auch ausrüsten kann, die anderen 10 können sie eigentlich nur wieder nach Hause schicken - d.h. der Ukraine gehen nach wie vor nicht die Soldaten aus, sondern das Material.
Russland hingegen hat genügend Material, aber es verbraucht schneller, als es nachproduzieren und einkaufen kann, und das findet ein Ende, sobald aus den Materiallagern der Sowjetzeit beim besten Willen nichts mehr rauszuholen ist. Was wohl 2025, nach einigen Prognosen erst 2026 geschehen wird.

Danach sehen wir selbst in den Westmedien den desolaten Zustand der ukrainischen Armee. Für Propagandazwecke werden noch Drohnenangriffe in Richtung Moskau und Co. geschickt, aber wie alle anderen bisherigen "Deep Strikes" werden diese keine Wirkung zeigen, außer für tolle Propagandabilder im Westen. Kursk ist durch, die Ukraine ist durch.

Du lässt dich zu stark von russischen Propagandabildern beeinflussen.
Das ist wie der Palantir im Herrn der Ringe: Ein Stein, mit dem man Dinge in der Entfernung sehen kann, und Sauron manipuliert das Ding und zeigt seinen Gegnern: Guckt mal, was ich da habe, meine Armeen sind unbesiegbar - nur dass er zwar (a) tatsächlich eine große Armee hat, aber (b) seinen Gegnern nie zeigt, wo die Armee zuende ist. Effekt: Seine Gegner glauben, Sauron habe quasi unbegrenzt Armeen zur Verfügung, dabei ist das absolut nicht der Fall, der KANN rein militärisch besiegt werden und WURDE militärisch besiegt. Nur halt unter großen Opfern.
Ist ein reines Fantasybuch, aber in Fragen der Machtpolitik teilweise erstaunlich aktuell.

Und wenn wir Pech haben und es tatsächlich dieses Jahr Friedensverhandlungen gibt, wird der Russe "Njet" sagen. Dann schauen alle aber wirklich dumm aus der blutigen Wäsche. Ich hoffe ja, dass es anders kommt. Aber meine wahrgenommene Lage in der Welt deutet leider auf anderes :/

Der Russe sagt sowieso Njet.
Er hat ja bisher nur Sachen angeboten, die schon vor Verhandlungsbeginn effektiv eine Kapitulation bedeutet hätten.
War in einem Anhang versteckt, den die Ukrainer anfangs gar nicht so genau gelesen haben, bis sie von den Amis darauf aufmerksam gemacht worden - da wurden die Verhandlungen dann plötzlich schwierig.
Die Ereignisse in Butscha waren nur der letzte Sargnagel auf den Istanbuler Verhandlungen.
Ebenso wie Kursk einfach nur Putins Vorwand ist, nicht mal mehr solche Fake-Verhandlungen anzubieten.

Von daher: Von Verhandlungen ist absolut nichts zu erwarten.
Russland reagiert auf klar demonstrierte Macht, nicht auf Worte, und das heißt: Frieden mit Russland gibt es erst, wenn Russland hat klar erkennen müssen, dass es militärisch nicht gewinnen kann.
MMn ist der derzeitig übliche Weg, die Ukraineunterstützung auf das nötige Minimum zu beschränken, damit man keine russische Eskalation provoziert, genau der falsche Weg. Der Westen müsste eigentlich maximal unterstützen, damit die russische Armee in einem einzigen niederschmetternden Akt der Gewalt überrollt wird - rein konventionell natürlich. Und danach muss es sogar immer noch auf die russischen Armeen auf der russischen Seite Tod und Verderben regnen, und erst DANN wird Russland akzeptieren, dass es mit einem konventionellen Krieg nichts reißen kann, und es ist überhaupt erst Frieden möglich.
Gestützt auf das Video dieses finnischen Informationsoffiziers. Der Mann hat da eine überaus schlüssige Perspektive zu bieten, und gerade die Finnen, die ja jahrzehntelang geradezu existenziell darauf angewiesen waren, Russlands Motive gut zu verstehen, um selbst überleben zu können, dürften da die genauesten und einsichtsreichsten Beobachter sein. Selbst als Einzelperspektive war diese Perspektive sehr viel plausibler als alles, was ich jemals von irgendwelchen Parteien oder Forumsteilnehmern gelesen habe.

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