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  • Axel Farr

995 Beiträge seit 06.05.2002

Für Frieden braucht es zwei - für den Krieg reicht leider schon einer

Menschen neigen dazu, alles kategorisieren zu wollen. Die Einteilung der Welt in "Ost" und "West" oder "Nord" und "Süd" ebenso wie "arm" und "reich" ist so ein Ding.

Man braucht sich aber nachher nicht zu wundern, wenn trotz augenscheinlich "toller" Kategorisierung nachher nicht alles so läuft wie man sich das gedacht hat.

Beim Ukraine-Krieg ist das auch so ein Ding: Nicht jeder, der die Position der Ukraine teilt ist automatisch pro-westlich und kommt aus der nördlichen Erdhalbkugel. Nicht jeder Staat, der sich nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligt ist automatisch ein Freund Russlands oder stimmt mit den russischen Positionen überein. Vielfach ist es auch einfach nur so, dass sich die Länder die Tür nach Russland offen halten wollen.

Hinzu kommt, dass Russland sich in den vergangenen 2 1/2 Jahren wirklich angestrengt hat, es sich mit allen zu verscherzen die Politik nicht nur als Mittel zum Zweck sehen, sondern der Meinung sind, dass man sich an Verträge auch halten muss - und nicht dass Verträge nur dazu da sind, damit man sich um die vielleicht gerade nicht angenehmen Punkte drum herumwindet.

Die Ukrainer wären sehr wohl zu einem Waffenstillstand bereit - aber eben einer, der den Status quo ante wieder herstellt. Bitte nicht vergessen, dass es Russland war, das ohne Anlass die Ukraine überfallen hat. Wer jetzt den Ukrainern vorwirft, sie seien angesichts des Putinsch'en Kapitulationsangebots nicht zum Frieden bereit, der ignoriert dass Russland schon seit fast 2 1/2 Jahren Tod, Zerstörung und Verwüstung in die Ukraine bringt - und der ignoriert auch, dass es insbesondere Putin war, der ohne mit der Wimper zu zucken an einem Tag erklärt, er wolle keinen Krieg und dann in der darauffolgenden Nacht seine Armee mit 100.000en Soldaten ins Nachbarland einfallen lässt. Wie will man so einem Gegner dann überhaupt noch trauen?

Es ist nicht so, dass die ukrainischen Forderungen in irgend einer Form "Maximalforderungen" wären. Wenn die Ukraine jetzt fordern würden, dass zum Ausgleich der Kriegsfolgen noch die russischen Oblaste Belgorod, Rostow und Kertsch zur Ukraine kommen müssten weil dort auch Ukrainer leben, dann könnte man das eine Maximalforderung nennen. Die Ukraine und der Westen möchten aber nur, dass Russland das internationale Völkerrecht und die UN-Charta achtet - wer da meint, dass seien Maximalforderungen der hat sich schon von der Friedensordnung verabschiedet, die uns hier in Europa fast 80 Jahre den Krieg vom Hals gehalten hat.

Ja, die derzeitige Situation läuft darauf hinaus, dass Russland zu einem Paria-Staat wird, so wie der Iran, Syrien oder Nordkorea. Was haben diese Staaten gemein? Sie alle halten nichts von universellen Menschenrechten, sie sind autoritär regiert und haben eine Armee, die angesichts der Lage des Staates unangemessen groß erscheint. Wichtiger aber noch: Alle diese Staaten haben einen imaginären Feind, den sie mit ihrer Armee bekämpfen wollen. Bei Iran und Syrien ist es Israel, bei Nordkorea ist es der Süden und bei Russland seit dem Maidan die Ukraine.

Was wir daran mit unserer Politik ändern könnten? Erstmal gar nichts. Der Westen hat auch nichts dafür gekonnt, dass die Sowjetunion ab 1945 die osteuropäischen Länder zu kommunistischen Diktaturen gemacht hat - Stalin wollte es so. Erstrebenswert, dem nachzueifern fand es hier im Westen nur eine kleine Minderheit.

Putin hat seinen Traum von der russischen, imperialen Großmacht ausgeträumt - dass weiß auch er. Er muss aber sein Publikum bei Laune halten, damit kein Kind plötzlich auflacht und meint "der hat aber keine Kleider an". Wie es nach Putin wird weiß keiner, aber nach dem Tod Stalins hat es auch nochmal 36 Jahre gedauert, bis das von ihm und seinem Geheimdienst gezimmerte politische Gebilde in Osteuropa zusammengebrochen ist.

Für mich war mit dem Angriff Russlands am 14. Februar 2022 eine Epoche zuende gegangen. Nicht erst irgendwann danach. An diesem Tag hat ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates sein Nachbarland überfallen, das ihm nichts schuldig war, hat unter Verletzung sämlicher internationaler Verträge die es vorher abgeschlossen hat versucht, dieses Land zu erobern und - man muss es so sagen - das Volk zu versklaven. Das hatte 85 Jahre vorher schon einmal ein deutscher Diktator so gemacht. Danach hat es 50 Jahre gedauert, bis das Volk dieses Landes wieder frei seine Regierung wählen konnte.

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