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  • Herbert Wichmann

718 Beiträge seit 21.01.2024

Re: "Innerhalb eines Tages 50 km²"

Guckstu schrieb am 21.08.2024 13:53:

Raistlin666 schrieb am 21.08.2024 13:11:

Allein schon die Grundannahme das die Ukraine bei Kursk was erobert hat ist grundfalsch.

Hat sie aber.

Wenn Sie mir einen Panzer geben und ich in Polen rumkurve habe ich dann auch polnisches Gebiet erobert ?

Nein, natürlich nicht. Das kann ich nur sagen, wenn die Polen gern Gegenmaßnahmen ergreifen würden, aber nicht können.
Die Ukrainer in Kursk sind dort unerwünscht, aber die Russen kriegen sie nicht weg, damit ist das eine Eroberung.

Ein Gutteil des Gebiets ist natürlich nicht erobert, sondern immer noch umkämpft.
Ich habe den Eindruck, dass die Ukrainer einen Streifen von vielleicht 20, 30 km erobern wollen und der vorgelagerte, umkämpfte Streifen soll nur verhindern, dass die Russen die Schanzarbeiten im eroberten Streifen stören. Aber das ist natürlich nur Spekulation.

Erobert hat man etwas wenn man dies auch langfristig halten kann,

Nein. Erobert ist erobert, kurzfristige Eroberungen sind kurzfristige Eroberungen.

Würde man "langfristig" als Bedingung in die Definition hineinnehmen, hat das deutsche Reich die Beneluxstaaten nie erobert, es ist ja am Ende jedes Mal wieder rausgeflogen; ich denke, die Militärpläner würden so eine Definition nicht sehr nützlich finden, schließlich haben sie das Gebiet in teils harten Kämpfen zurückerobern müssen.

Und wo willst du die Grenze zwischen "langfristig" und "nicht langfristig" ziehen? Wochen? Monate? Andere Kriterien, welche?

das um Kursk kann man derzeit höchstens als Kampfgebiet ansehen

Es gibt einen recht breiten Streifen, wo nicht mehr gekämpft wird.
Die 1200 km² sind tatsächlich eher eine Propagandazahl, übrigens; Deepstatemap weist ein erobertes ("befreites") Gebiet von 646,73 km² und ein umkämpftes ("unbekannt") von 592,52 km² aus, macht 1239,25 km² aus.
Wenn man das ganz exakt formulieren will, heißt das, Russland hat 1200 km² verloren und die Ukraine 650 km² gewonnen.

Wenn man die Entwicklung über die Zeit verfolgt, konsolidieren die Ukrainer das umkämpfte Gebiet auch nach und nach und machen es zu erobertem Gebiet. Es dauert halt, momentan haben sie die Verteidiger aus dem Gleichgewicht gebracht und stören, wo sie können, deshalb ist das umkämpfte Gebiet so groß, offenbar haben die Russen noch immer keine feste Front etablieren können.

und der strategische Nutzen für die Ukraine ist gering,

Aber der politische Schaden für Russland ist gewaltig.
Erstens erzeugt es Unmut in Russland. Sicher nicht genug, um Putin zu stürzen, aber es erleichtert der Ukraine das Anwerben von Saboteuren, es senkt für Russland die Bereitschaft für Opfer, es erleichtert der Ukraine zu drängen, dass die russischen roten Linien gar nicht existieren; das ist ein ganzer Sack ausgesprochen wichtiger Vorteile.

Auch der potenzielle strategische Nutzen ist groß. Wenn die Russen anrennen, haben sie eine Front mehr, an der sie viel höhere Verluste als die Ukrainer haben, und da Russland seine Armee viel aus eingelagerten Vorräten unterhält und nicht aus Nachproduktion, endet der Krieg umso schneller, je länger die Front ist, die die Ukraine den Russen aufzwingen kann.
Alles unter der Voraussetzung, dass die ukrainische Front nicht zusammenklappt; dann haben sie tatsächlich überdehnt. Ist bisher allerdings nicht der Fall, und niemand weiß genau, ob die Ukrainer da überhaupt ein Risiko eingegangen sind; dass sie im Süden Land verlieren, ist strategisch unproblematisch, solange sie noch Land haben, auf das die zurückweisen können.

weshalb Russland wahrscheinlich auch gar keinen großen Sinn darin sieht sich dort massiv zu engagieren, eher spielt das Russland noch in die Hände mit jedem Zivilisten den die Ukrainer dort umbringen, wie ja auch bereits geschehen. Das kann Russland wunderbar propagandistisch ausschlachten,

Die Ukrainer töten dort recht wenige Zivilisten.
Außerdem richten sie eine Zivilverwaltung ein, und wer flüchten will, kann das auch, wird dabei sogar unterstützt mit einem (NICHT beschossenen!) Evakuierungskorridor nach Russland und auch einem in die Ukraine.

Außerdem hat Putin ein bisschen ein Problem, weil die Einwohner von Kursk sich lautstark darüber beschweren, dass die russischen Evakuierungsbemühungen eher halbherzig und ineffektiv ablaufen.
Das wird nicht Putin angelastet, sondern den Gouverneuren - das klassische Herrschaftssystem Russlands, wo nie der Zar Schuld ist, sondern seine unfähigen/korrupten/desinteressierten Prinzen und deren Unterlinge.
Dennoch sind sie unzufrieden, und die Unzufriedenheit wird sich auch auf Putin ausbreiten, wenn sich nichts tut. Da ist für Putin schon eine Verpflichtung geschaffen worden.

was noch vielmehr dafür spricht die Ukrainer einfach machen zu lassen, denn irgendwann muss sich auch das ukrainische Oberkommando die Frage stellen ob die Kursktruppen nicht woanders dringender gebraucht werden ;)

Wenn sich diese Frage stellt, hat die Ukraine eh verloren.
Denn das an Truppen und Material, das für die Russen dann in Kursk frei wird, werden die Russen dann anderswo gegen die Ukraine einsetzen.

Dass die Ukraine eh verloren hat, ist das russische Narrativ seit zweieinhalb Jahren. Ärgerlich für die Russen, dass die Ukraine immer noch da ist und die Russen nicht 80, nicht 60, nicht 30, sondern bisher nur 20% der Ukraine erobern konnten. Dabei verloren die Russen mehrere tausend Panzer und mehr als eine halbe Million Mann, die jetzt tot sind oder der Sozialhilfe als Krüppel zur Last fallen. Tolle Bilanz. Die Ukrainer wehren sich immer noch verbissen und ich halte es für fraglich, ob Putin noch die Ressourcen hat um noch bis zur Stadt Saporischja vorzustoßen. Annektiert hat er sie ja schon.

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