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  • Stephan Geue

mehr als 1000 Beiträge seit 07.08.2011

Längst erreicht?

Es würde sich dann die Frage stellen, warum Russland mit einer schwächer werdenden, vom eigenen Nachschub abgeschnittenen Ukraine überhaupt verhandeln sollte, wenn der militärische Sieg sicher in Aussicht steht.

Da liegt ein Denkfehler, denn Russland hat sein primäres militärisches Ziel in diesem Konflikt längst erreicht: Die Sicherung der Krim und die Einrichtung eines Landzugangs dorthin, der von den USA nicht so einfach zerstört werden kann wie eine Brücke.

Wenn das so wäre, hätte Russland seine Soldaten schon wieder nach Hause geschickt. Tatsächlich bin ich der Auffassung, dass Russland in der aktuellen Lage mit angeblich bis zu 2000 ukrainischen Opfern pro Tag (tot oder kampfunfähig) wenig Lust auf Verhandlungen hat, sondern auf die Kapitulation setzt. Denn nur dann kann Russland seine Kriegsziele dauerhaft und einigermaßen sicher erreichen: Entmilitarisierung des ukrainischen Staatsgebietes und Beseitigung all dessen, was in Richtung Asow geht. Solange es noch eine souveräne oder vom Westen gesteuerte Restukraine gibt, mögen diese Ziele vielleicht erreicht sein, aber nicht dauerhaft sicher. Und dann ginge der Konflikt bald wieder los.

Außerdem argumentiert Russland, dass potenziellen Verhandlungspartnern nicht zu trauen sei - siehe Minsk II oder irgendwelche Abrüstungsabkommen mit den USA. Selenski sehen sie ohnehin nicht mehr als legitimen Verhandlungspartner, weil sein Mandat abgelaufen sei - wobei ich nicht weiß, in welchem Land, das sich nach eigener Darstellung im Krieg befindet, Wahlen abgehalten werden -, und den USA sei ebenfalls nicht zu trauen. Im Zweifelsfall sind FAB-Bomben doch durchsetzungsfähiger als beschriebenes Papier.

Natürlich lässt sich ins Feld führen, dass Russland ebenfalls täglich einen hohen Preis bezahlt: Menschenleben, riesige Kosten im MIK, Ressourcen also, die einer zivilen Wirtschaft dauerhaft fehlen. Aber es ist eben eine Abwägung, bei der die Russen sagen, dass sie diese Kosten sowieso haben werden, und die Frage sei allein, ob jetzt oder später.

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