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  • 1FC

mehr als 1000 Beiträge seit 02.02.2011

Re: Aus dem Blickpunkt von Russland betrachtet ...

Sehr schön zusammengefasst.

Ich würde nur ganz gerne etwas ergänzen. Daß Putin so oder so einmarschiert wäre bzw. die Ostukraine annektiert hätte, ist mit heutigem Wissen höchst wahrscheinlich. Ich für meinen Teil finde in solchen Zusammenhängen den gewählten Zeitpunkt für solche Aktionen immer ganz interessant.
In diesem Fall also warum Putin ausgerechnet Anfang 2022 einmarschiert ist. Ich kann zwar nicht hinter seine Stirn blicken, jedoch gibt es Auffälligkeiten:

—> September 2020

Die EU-Kommission kündigt Maßnahmen zu kritischen Rohstoffen an.

Ressourcenzugang und Nachhaltigkeit sind entscheidend für die Widerstandsfähigkeit der EU im Zusammenhang mit Rohstoffen. Ressourcensicherheit kann nur erreicht werden, wenn Maßnahmen zur Diversifizierung der Versorgung sowohl aus primären als auch aus sekundären Quellen, zur Verringerung von Abhängigkeiten und zur Verbesserung der Ressourceneffizienz und Zirkularität (…)

Am Beispiel Batterien:

Für Elektrofahrzeugbatterien und Energiespeicherung würde die EU, verglichen mit der derzeitigen Versorgung der gesamten EU-Wirtschaft, 2030 bis zu 18-mal mehr Lithium und 5-mal mehr Kobalt und 2050 fast 60-mal mehr Lithium und 15-mal mehr Kobalt benötigen. Dieser Nachfrageanstieg kann, wenn nicht reagiert wird, zu Versorgungsproblemen führen. Die Nachfrage nach seltenen Erden, die in Permanentmagneten, etwa für Elektrofahrzeuge, digitale Technologien oder Windgeneratoren zum Einsatz kommen, könnte sich bis 2050 verzehnfachen.

Quelle: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020DC0474&from=EN

Auch wenn man heute bei Thema Batterien in E-Autos zunehmend in Richtung Natrium Ionen forscht und zu tendieren scheint, hat man 2020 anscheinend nur auf Lithium Ionen gesetzt (bzw. seit 2017 als die europäische Batterieallianz gegründet wurde) , weswegen auch ein sehr hoher (extrem hoher) Bedarf an Lithium und Cobalt angenommen wurde.
An z.B. seltenen Erden kommt man dagegen auch heute nicht vorbei. Für E-Motoren (Magnete) aber auch für smartphones, Windkraftanlagen, LEDs… etc.
Es heißt, daß zu dem Zeitpunkt China 98 Prozent der in der EU benötigten seltenen Erden liefert.

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—> Rohstoffvorkommen Ukraine (*)

Bei Titan und Kaolin in weltweiter Spitzengruppe

Enormes Potenzial haben die Lithium- und Titanlagerstätten sowie unerschlossene Öl- und Gasfelder. Nicht umsonst hatte die EU 2021 eine strategische Rohstoffpartnerschaft mit der Ukraine geschlossen. Denn bei 22 der 30 von der EU als kritisch eingestuften Rohstoffe verfügt die Ukraine über Vorkommen. Das sagte Premierminister Denys Schmyhal bei der Raw Materials Week im November 2022 in Brüssel. Sein Land könnte integraler Bestandteil der industriellen Beschaffungsketten in der EU werden. Nach Schmyhals Ausführungen gehörte die Ukraine 2021 zu den zehn größten Produzenten von Titan, Eisenerz, Kaolin, Mangan, Zirconium und Graphit.
(…)

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—> 17. Mai 2021

Drei ehemalige Sowjetrepubliken, die auf einen EU-Beitritt hoffen, haben am Montag (17. Mai) bei einem Treffen ihrer Außenminister in Kiew die Zusammenarbeit für eine „ambitionierte europäische Integration“ formalisiert.

Quelle: https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/georgien-moldawien-und-ukraine-bekraeftigen-wunsch-nach-staerkerer-eu-integration/

—> Juli 2021

EU und Ukraine bringen strategische Partnerschaft für Rohstoffe und Batterien auf den Weg

Quelle: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-und-ukraine-bringen-strategische-partnerschaft-fur-rohstoffe-und-batterien-auf-den-weg-2021-07-13_de

—> 2022 sollte es also losgehen und die Maßnahmen in der Ukraine umgesetzt werden

—> Februar 2022: Russland überfällt die Ukraine

Relativ plötzlich, ein paar Tage vorher noch leugnend und für viele (inkl. der eigenen Soldaten) überraschend, griff Putin also sein Nachbarland auf das Brutalste an.
Ganz „zufällig“ werden dabei auch noch genau die Gebiete mit den gigantischen Rohstoffvorkommen (teilweise sogar noch unerschlossenen) annektiert.
Er musste (aus seiner Sicht) quasi noch schnell einmarschieren und sich die Gebiete sichern, bevor sich eskortierte, internationale Vertreter in diesen Gebieten ausgetobt hätten.

Auch wird im Folgenden für strategische Ziele seitens Russland auf das allerwiderlichste gekämpft. Wie z.B. der Kampf um Bachmut, bei dem immer weiter und völlig skrupellos unzählige russische, also deren eigenen, Soldaten mit der sogenannten „Fleischwolftaktik“ völlig sinnlos geopfert wurden, nur um Meter für Meter vorzudringen und die Stadt irgendwann, nach extremen Verlusten an Mensch und Material, einzunehmen. Das war so dermaßen abstoßend, daß mit Prigoschin sogar ein enger Vertrauter Putins und zu dem Zeitpunkt der Söldnerchef der Wagner-Truppe vor Wut und schwer bewaffnet Richtung Moskau marschierte. Was mit ihm geschah, weiß -denke ich- jeder selbst.
Da stellt sich doch automatisch die Frage: Warum war / ist für Putin und seine Entourage ein Menschenleben, hier sogar das der eigenen Soldaten, offenbar nichts wert? Deswegen (*):

Nach Erhebungen der kanadischen Denkfabrik SecDev besetzt Russland ukrainische Rohstoffvorkommen im Wert von 12,4 Billionen US-Dollar (US$)

12,4 Billionen US-Dollar! Heiliger Bimbam… damit wäre die Ukraine ruckzuck saniert. Allerdings: Seit wann ist einem mafiös geführten Kartell, wie Putins Russland eins darstellt, ein Menschenleben schon etwas wert? Ganz genau!

—> Konsequenz:

Russland hat wichtige Förderstätten okkupiert

Doch schon seit 2014 kontrolliert Russland große Teile der Lagerstätten in den Gebieten Donezk und Luhansk. Mit dem Angriffskrieg im Februar 2022 hat sich die Lage verschärft.

(*) Quelle: https://www.gtai.de/de/trade/ukraine/branchen/rohstoffreichtum-der-ukraine-in-gefahr-941166

—> Dezember 2023: Zur Info

Rohstoffe für Deutschland und Auswirkungen des Russland-Ukraine Konflikts

https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000166052

Gruß, Baxter

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