"Die russische Armee ist ein inkompetenter Haufen, politisch geführt von Amateuren. Ergo muss Deutschland 100 Mia. in Rüstung investieren, denn 'der Russe' steht beinahe vor Berlin".
Die "Zeitenwende" Rede, in der Scholz die 100 Mrd. Investition in die Bundeswehr angekündigt hat, wurde direkt nach dem Einmarsch gehalten. Da gingen die meisten Experten (und vermutlich auch Scholz) noch davon aus, dass Russland die Ukraine in wenigen Wochen komplett überrennen würde. Die erfolgreiche Verteidigung von Kiew durch die ukrainischen Streitkräfte war eine faustdicke Überraschung, ebenso wie die erfolgreiche Offensive bei Charkiw. Die Verunsicherung, was ein Landkrieg mit einer der stärksten Armeen der Welt wirklich bedeutet war groß, dazu kam Putins extrem aggressive Rhetorik. Die bange Frage, wo werden die wieder anhalten, wenn sie einmal ins rollen kommen, haben sich wohl viele gestellt. Inzwischen ist klar geworden, dass die NATO ziemlich sicher in der Lage wäre, einen konventionellen Angriff Russlands abzuwehren. Umso größer ist die Angst geworden, Russland könnte seine Ziele auch durch den Einsatz von Atomwaffen zu erreichen versuchen.
Die 100 Mrd. für die Bundeswehr sind eine Reaktion darauf, dass der jahrzehntelange Rückbau und die chronische Unterfinanzierung der Streitkräfte im Zuge der sogenannten "Friedensdividende" nicht mehr den sicherheitspolitischen Realitäten entsprechen. Diese Schlussfolgerung bleibt richtig, unabhängig vom Erfolg der russischen Invasion. Der Zustand der Bundeswehr, so wie er nach der Ära Merkel war, hätte so nicht bleiben können, das wäre gleichbeutend mit deren faktischer Abschaffung gewesen. Der Ukrainekrieg war mehr Anlass als Ursache, hier endlich umzusteuern. Scholz hat einfach die Gunst der Stunde genutzt, um einen unangenehmen Punkt von der Tagesordnung zu nehmen, der ihn über kurz oder lang ohnehin wieder eingeholt hätte.