Du hast dir mit deinem Text schon Mühe gegeben also gehe ich mal darauf ein. Der Ansatz "ich höre dir zu" ist in der jüngeren Vergangenheit ganz schön unter die Räder gekommen.
Mit kühlem Kopf überlege ich. Japan, Südkorea? Was haben die wohl mit der NATO im Bezug auf militärische Vergangenheit, Machtbeziehungen und Abhängigkeiten gemein. Australien? Schon mal von 5 Eyes gehört? Ich habe auch keinen Bock auf schwarz weiß, aber etwas bessere Beispiele wären schon gut gewesen wenn du darauf hinaus wolltest, das wir hier nicht in einem Stellvertreterkrieg stecken der von langer Hand vorbereitet wurde.
Ich wollte in meinem Post auch nur zeigen, das ich die NATO für die größte je existierende Räuberhöhle halte, mit den USA als Ali Baba. Und wir sind halt einer der 40 Räuber und profitieren, im globalen Vergleich gesehen, auch sehr gut davon (wie im übrigen alle deine Beispiele)
Aber jeder andere geopolitische Akteur mit anderen Interessen wird diese Räuber soweit wie möglich von sich fern halten wollen und die Geschichte ist voll von Beispielen, was mit denen geschieht, denen das nicht gelungen ist.
Womit wir bei Losurdo sind. Hab keine Ahnung, ob er Stalinist war. In seinem Buch geht er anhand einer sehr umfangreichen Quellensammlung durch die Geschichte der liberalen Philosophie, er zitiert alle bekannten und noch mehr heute unbekannte Akteure und Denker und beschreibt ein Panorama der Politik bestimmenden Theorien und Gedanken, quasi die Entwicklung des Mindsets der Gesellschaften der Staaten, in denen der Liberalismus prägend für die Politik war. Er zieht eine große Linie von 1600 bis zum Beginn des ersten Weltkriegs, tw, bis zum 2.
Sehr lesenswert, die Parallelen bis zur heutigen Politik sind unverkennbar. Sein Buch wird übrigens sehr gut ergänzt von Piketty, eine kurze Geschichte der Ungleichheit (Losurdo beschreibt die Philosophische, Piketty eher die ökonomische Komponente). Auch einer meiner liberalen Lieblingsphilosophen (J.S.Mill) kommt bei Losurdo nicht so gut weg, aber immer noch besser als so ziemlich alle anderen, die er (umfangreich) zitiert. Mein Bild, das Mill in "Über die Freiheit" gezeichnet hat, hat jedenfalls durch Losurdo berechtigt deutliche Risse bekommen. Trotzdem kommt er am Ende zu einem erstaunlich versöhnlichen Fazit. Ich hätte das nicht geschafft nach dem was in dem Buch alles geschrieben steht.
Aber andere Philosophien, die über längere Zeit konstituierend waren für politische Machtblöcke, haben vermutlich zu ähnlichen menschlichen Katastrophen geführt, wenn sie nur genug Zeit und genug Macht gehabt haben (siehe römisches Imperium und vergleichbare). Macht das aktuelle Agieren unserer politischen Repräsentanten im Vorfeld des Ukraine-Konfliktes und jetzt nicht besser, aber es passt ins Kontinuum. Um einen hinkenden Vergleich zu bemühen, wir sind halt Rom und die Russen sind das neue Karthago. Und auch damals gab es politische Kräfte, die sehr lange darauf hingearbeitet haben, das Karthago zerstört wird. (Nur diesmal hat es Atomwaffen. Der Zyniker in mir sieht das als ein Indiz für den Humor Gottes (sofern sie existiert) :-D ). Ich würde aber, nach eingehender Beschäftigung mit der Geschichte des Liberalismus nicht ausschließen, das der Vergleich (USA <=> Indianer damals, NATO (+Anhang) <=> Rußland heute) von einigen Akteuren innerhalb unserer Räuberhöhle die präferierte Variante ist. Na dann Prost Mahlzeit, denn in dem Fall haben diesmal die Indianer Atomwaffen. Und sie haben Erfahrungen mit rassistisch begründeten Völkermorden (Opa lässt grüßen) und damit schließt sich der Kreis zu dem, was Losurdo anhand leider sehr vieler sehr umfangreicher Beispiele als prägende Implementierung praktischer Politik über die gesamte Geschichte der vom Liberalismus dominierten Gesellschaften herausgearbeitet hat.
Es ist wirklich krass, wie widersprüchlich der Liberalismus ist, bspw wieviel Autoritarismus damit begründet wurde. Naja, ich empfehle das Buch, ich kann es hier nicht zusammenfassen. Es hat auch viele Parallelen zum Teil Imperialismus in "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft". Hannah Arendt zitiert der Stalinist jedenfalls auch ab und an in dem Buch ;-)
Soviel zu meinen Leseempfehlungen!
Ich habe noch nie einen Telegram-Kanal genutzt um mich politisch zu informieren, sorry wenn ich da nicht in dein Weltbild passe.
Und mit der UN Charta zu wedeln macht nur Sinn, wenn sich alle daran halten. Sorry wenn ich da so fatalistisch sein muß. Aber die ist leider zu lange in der Räuberhöhle als Klopapier ausgelegt worden. Eine Generation Russen und die gesamte männliche Bevölkerung der Ukraine erfahren das gerade. Und mir wäre es wirklich lieber, wenn es anders wäre, das kannst du mir glauben
Es gab eine Zeit für positive politische Alternaiven. Da bin ich mir ziemlich sicher. Aber das haben auch wir mit Anlauf verkackt (noch ne Literaturempfehlung aus dem Jahr 2017: Krone Schmalz "Eiszeit: wie Rußland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist") und jetzt bleibt nur die Wahl zwischen verschiedenen Haufen Scheiße.
Diese haben unterschiedliche Größen. Einer ist ist gigantisch (Atomwaffeneinsatz). Der zweite unwesentlich kleiner. Und dann gibts noch eine Reihe kleinerer. Die Politik der Räuberhöhle agiert so, als würde sie unbedingt den größten aus der Reihe der kleineren nehmen, wenn nur Rußland den zweitgrößten bekommt.
Hoffen wir mal, das in Rußland nicht irgendwann einer denkt, ich nehm den Größten, aber der wird dann aufgeteilt ;-)
Schönes WE wünsch ich
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (16.06.2023 09:09).