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  • Pearphidae

mehr als 1000 Beiträge seit 14.11.2021

Re: Die Emotionen kochen hoch ...

hrwe schrieb am 30.07.2023 17:03:

PippiLangstrumpf schrieb am 30.07.2023 16:38:

hrwe schrieb am 30.07.2023 16:16:

Um nochmal auf Nazideutschland zurückzukommen.
Wir sind sicher alle der Meinung, dass Hitler und die Nazis böse waren.

Trotzdem stellten sich nach dem 2. WK moralische Fragen, die dichotomisch schwer zu beantworten sind:
Waren alle Deutschen böse?
Waren alle deutschen Soldaten böse?
Waren alle NSDAP Mitglieder böse?

Zu dieser Zeit gab es viele Menschen (verständlicherweise), die alle Fragen mit Ja beantwortet hätten.
Trotzdem wurde den deutschen Menschen eine Chance gegeben. Obwohl klar gewesen sein muss, dass dabei auch viele „Böse“ darunter sind.

Es gibt eben auch so etwas wie eine kollektive Verantwortung. Wahrscheinlich waren nicht alle deutschen Bürger oder Soldaten böse, aber der damalige deutsche Staat war es. Daran besteht wohl kein Zweifel.

Meine Großmutter war im BDM, das fand sie toll. Ihr Ehemann war gesundheitlich bedingt nicht im Krieg. Obwohl es eher schwierige Gespräche waren, würde ich die Beiden schon auch irgendwie als Nazis und zu der Zeit dann auch als "Böse" bezeichnen. Weniger durch aktives Handeln, als vielmehr durch Ignorieren. Natürlich gab es in der Bevölkerung Gerüchte, dass die deutschen Soldaten ganz fürchterliche Dinge in den besetzten Gebieten tun, aber man wollte es einfach nicht wahrhaben.

Feindsender (BBC zum Beispiel) zu hören war zwar verboten, aber wurde dennoch häufig getan. Wer wollte, konnte erfahren, was wirklich passiert.

Man muss den meisten Deutschen sicherlich mindestens eine Mitschuld zusprechen.
Aber auf individueller Ebene wird es eben schwierig, wie du auch selbst beschreibst. Dann braucht man eine Abstufung der Schuld, die aber von verschiedenen Betroffenen ganz unterschiedlich gesehen werden kann.
Pauschale Holzhammerurteile über ganze Völker sind daher m.M.n. abzulehnen.

Hier wird das Problem produziert einerseits Völker aufgrund der von ihnen ausgehenden Auswirkungen auf andere Völker be-/verurteilen zu müssen, dies jedoch mit der Behauptung als unmöglich darzustellen, weil jedes Volk aus Individuen bestehe.

Mit dieser Begründung würden prinzipiell gar keine Völker existieren. Warum tun sie es doch? Weil die zu beurteilenden Individuen Kollektive bilden, deren Mehrheitswille jene Handlungen verursacht, die Auswirkungen auf andere Völker hat.

Pauschalurteile über andere Völker sind auch deswegen unerlässlich, weil es weder für den Zweck notwendig noch überhaupt durchführbar ist, den Willen eines Volkes als Außenstehender durch Befragung jedes Idividuums festzustellen. Wozu auch den Einzelwillen feststellen wollen, wenn er auf die Auswirkung der Kollektivhandlung keinerlei Einfluss hat?

Es stellt schlichtweg ein rhetorisch schmutziges Mittel dar, unliebsame Urteile über ein Volk vom Tisch wischen zu wollen, indem man sie denunzierend herabwürdigt - in diesem Fall in dem man sie als "Holzhammerurteile" bezeichnet.

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