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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: ein erhellender Beitrag über die "russische Seele"...

Die Idee die Bevölkerung selbst bestimmen zu lassen in welchem Staat sie leben will klingt schöner als sie in der Praxis ist und eröffnet viele Möglichkeiten zum Missbrauch durch Einmischung von außen. Das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" aus der UN-Charta, dessen Manifestation diese Referenden zu sein behaupten, hat im Ergebnis im Laufe der Geschichte viel mehr Schaden als Nutzen gestiftet und einen völlig falschen Fokus auf ethnische Homogenität gesetzt, was zu unzähligen Konflikten geführt hat.

"Damit wird das Selbstbestimmungsrecht zur Verlockung für Usurpatoren. Es ist ein Kampfbegriff, jedoch nicht im Kampf schwacher Einzelner gegen Mächtige, sondern im Kampf um die Etablierung von Macht. Für Anwälte des Selbstbestimmungsrechts eines Volkes ist das Volk oft nur notwendiges Instrument der Machtergreifung."

Vielleicht lässt sich die Beobachtung verallgemeinern: Kollektive Rechte dienen in aller Regel der Unterwerfung von Menschen, nicht ihrer Befreiung. Sie sind einer der großen Irrtümer des 20. Jahrhunderts."

...

Es gibt kein Recht der Armenier, unter Armeniern zu leben. Es gibt aber ein Recht für armenische Bürger ihres Gemeinwesens, Gleiche unter Gleichen zu sein, nicht benachteiligt zu werden, ja auch ihre eigene Sprache und Kultur zu pflegen. Das sind Bürgerrechte, Rechte der Einzelnen gegen jede Vormacht. Das sogenannte Selbstbestimmungsrecht hat unter anderem als Alibi für Homogenität gedient, und Homogenität heißt immer die Ausweisung oder Unterdrückung von Minderheiten.“

(Ralf Dahrendorf: Nur Menschen haben Rechte. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist ein barbarisches Instrument, in: DIE ZEIT https://www.zeit.de/1989/18/nur-menschen-haben-rechte)

So wie Russland das Selbstbestimmungsrecht interpretiert und für seine Zwecke nutzt steht es in Konflikt mit der Unverletzlichkeit der Grenzen. Die Unantastbarkeit der Grenzen, so ungerecht die im Einzelnen auch sein mögen, ist aber DIE Grundlage der Friedensordnung in Europa und der Welt nach dem 2. Weltkrieg. Der zwischenstaatliche Frieden muss Vorrang vor der Selbstbestimmung behalten, sonst gibt es bald eine Flut von gewalttätigen Grenzkonflikten die allen möglichen nationalen Egoismen dienen, aber bestimmt nicht den Menschen.

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