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Avatar von Axel Farr
  • Axel Farr

mehr als 1000 Beiträge seit 06.05.2002

Wieder schönes Schwarz-Weiß-Gemälde

Erstens: Dem Autor vielen Dank für den Bericht, ohne die Meldung bei telepolis wäre bei mir wahrscheinlich gar keine Info über den geplanten Auftritt angekommen - ich vermute dass die großen Medien ARD und ZDF das ganze eher übergangen hätten als daraus einen Bericht zu machen.

Zweitens und zur Überschrift: Der Artikel malt in Worten ein "Schwarz-Weiß-Gemälde". Ja, an der Gründung der Assow-Brigade waren ukrainische Nationalisten beteiligt. Aber viele ihrer Mitglieder (auch am Anfang) waren durchaus entweder mehr Patrioten als Nationalisten, oder sie suchten einfach nach einer Möglichkeit, die Russen wieder aus dem Donbass zu verjagen und machten dafür auch gemeinsame Sache mit den Nationalisten.

Umgekehrt sind die Mehrzahl der deutschen Rechtsextremen ebenso wie die AFD voll auf Russland-Linie (was damit zu tun haben kann, dass Russland seit Jahrzehnten Geld für antidemokratische Kräfte in ganz Europa ausgibt). Da hätte es eher Krawall als Beifallsbekundungen gegeben.

Es gibt im Ukraine-Krieg nicht nur ukrainische Nationalisten, die gegen die russische Invasion kämpfen. Auch die Assow-Brigaden sind längst dem regulären Armeekommando unterstellt.

Was die Vita von Stephan Bandera angeht: Nationalismus gab es im 18. und 19. Jahrhundert nicht nur in Deutschland und in der Ukraine. Es war eine Seuche, die fast alle Völker Europas heimgesucht hat und maßgeblich an der Auslösung des 1. Weltkriegs beteiligt war. Das identische gilt für den Antisemitismus und die Kombination aus beidem (viele Nationalisten waren die jüdischen Mitbürger ein Dorn im Auge, da die jüdische Religion als verbindendes Glied der in der Diaspora lebenden Juden das extreme Gegenteil von Nationalstolz bedeutete - für viele Juden war ihr Jüdisch-Sein wichtiger als eine Teilhabe an der sich neu findenden Nation, was in den meisten Ländern Europas die Juden zur Zielscheibe der Nationalisten machte).

Das alles kann und darf keine Entschuldigung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sein.

Was den Organisatoren vermutlich nicht oder nicht ausreichend klar war, das ist die Tatsache dass den meisten Deutschen das Schicksal des ukrainischen Volks zweitrangig ist. Die meisten Deutschen trauern eher dem Zustand hinterher, bevor Russland die Ukraine überfallen hatte - als die deutsche Industrie von noch mehr Umsatz und Gewinnen träumte, der deutsche Staat nach der Corona-Kriese hoffte wieder ohne Neuverschuldung auskommen zu können und dank billigem, russischen Gas vieles deutlich preiswerter war als heute. Durch eine Parade dann an das Ereignis errinert zu werden, das uns aus diesem scheinbaren Paradies vertrieben hat finden wohl die meisten Mitbürger eher unpassend.

Zu guter Letzt noch ein Rätsel, worin unterscheiden sich ein Patriot und ein Nationalist?

Für den Patrioten ist das eigene Land das Beste das es gibt.

Für den Nationalisten sind alle anderen Sprachen und Kulturen schlechter als die eigene.

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