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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: USA ziehen den ersten Samthandschuh aus

Was die Nachkriegsordnung angeht, war Jugoslawien der erste Tabubruch, allerdings nicht von Russland verübt.

Selbst wenn wir mal großzügig über die gewaltigen Untersiede zwischen den beiden Szenaren hinwegsehen - was folgt jetzt daraus? Das Russland so eine Art Freispiel hat? Das ein Verstoß gegen Regeln die Abschaffung aller Regeln impliziert?

Verhandeln, den Konflikt beenden, Normalität in den Handelsbeziehungen zu Russland wiederherstellen.

Verhandeln- das klingt nett. Wer soll da mit wem verhandeln? Deutschland alleine mit Russland? Die Sanktionen basieren ja auf gemeinsamen EU-Beschlüssen - soll Deutschland die dann ignorieren? Wie soll Deutschland alleine den Konflikt beenden? Wie soll bei so einem Ausscheren in Zukunft die wirtschaftlichen und (bündnis)politischen Beziehungen zu unseren wichtigsten Partnern aussehen? Es würde bedeuten, dass Deutschland um Gas zu bekommen seine Zugehörigkeit zum Westen quasi aufkündigt, die seit fast 80 Jahren die Basis für Frieden, Wohlstand und Demokratie ist. Wo nebenbei auch unsere wichtigsten Handelspartner sitzen, die für das zig-fache des Volumens mit Russland stehen.

Deutschland könnte sich natürlich unter den Partnern für eine Aufweichung der harten Haltung gegenüber Russland einsetzen und hoffen, dass Putin das honoriert. Winseln um Gnade könnte man das nennen.

Der Westen als Ganzes hat zwei Karten, die er spielen kann: Die Sanktionen gegen Russland und die Unterstützung der Ukraine durch Waffenlieferungen, Informationen und Geld. Die Ukraine könnte vermutlich damit leben, wenn die Sanktionen aufgehoben werden, aber die Unterstützung (vor allem die Waffenlieferungen) weiter kommt. Der Westen würde damit allerdings in die absurde Lage geraten, dass er beide Kriegsparteien finanziert. Es ist weiterhin unklar, welche Gegenleistungen Russland für eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen verlangt und ob diese Forderungen auf den wirtschaftlichen Bereich beschränkt sind (und bleiben). Die offensichtliche Verwundbarkeit Europas bei der Energieversorgung, mehr oder weniger ein Thema seit der Ölkrise in den 70ern, lädt aber dazu ein, diese Karte immer wieder zu spielen.

Die beiden anderen Alternativen, also die Unterstützung einzustellen aber die Sanktionen in Kraft zu lassen, würden darauf hinauslaufen, dass sich der zunächst allseits erwartete Kriegsverlauf -Russland überrennt die Ukraine und erobert Kiew und ordnet die Verhältnisse nach seinem Gusto neu- doch noch eintritt. An der prekären Energieversorgung würde das mutmaßlich nichts ändern, außer die Sanktionen werden auch aufgehoben. Damit würde man den Angriff auf die Ukraine endgültig zur "inneren Angelegenheit" Russlands erklären und vor aller Welt demonstrieren, wie schwach und dekadent der Westen tatsächlich ist. Hat Putin schon immer gesagt.

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