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  • Rücktroll

315 Beiträge seit 25.02.2022

Re: Was für ein Scheinreferendum?

Sehen wir uns mal den Präzendenzfall auf der Krim an: Das "Referendum" war erstens schon deswegen ungültig, weil der formale Beschluss dazu in einer Sitzung des Regionalparlaments gefasst wurde, bei der bewaffnete Truppen unter dem Ex-Geheimdienstler Girkin im Gebäude waren und zu der nur von diesen ausgewählte Parlamentarier Zutritt hatten, gerade soviele, wie für das Quorum notwendig waren. Zweitens, weil auch das "Referendum" selbst unter der Kontrolle der Besatzungsmacht stattfand, die das Gebiet danach annektiert hatte. Also in einem rechtlosen Zustand. Drittens war es auch in seiner Fragestellung eine Farce - siehe die Ausführungen im Wikipedia-Artikel dazu:

Am 16. März 2014 begann das Referendum zum Status der Krim. Rund 1,5 Millionen Wahlberechtigte konnten in 1200 Wahllokalen eine aus zwei Optionen (jeweils in den Sprachen Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch aufgeführt) auswählen:

Sind Sie für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland mit den Rechten eines Subjekts der Russischen Föderation?
Sind Sie für eine Wiederherstellung der Gültigkeit der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für einen Status der Krim als Teil der Ukraine?

Dieses Vorgehen ignoriert erstens die Definition der Venedig-Kommission, deren Prinzip eine JA- oder NEIN-Auswahl vorgibt. Zweitens verletzt die Fragestellung das Prinzip der Eindeutigkeit; Tatsache ist, dass während des Jahres 1992 zwei verschiedene Verfassungen in Kraft waren, womit die zweite Option doppeldeutig ist. Ob die Halbinsel bei einer Rückkehr zu einer Verfassung von 1992 unabhängig bliebe oder ob es nur um eine Ausweitung der Autonomierechte bei Verbleib im ukrainischen Staatsverband ginge, geht aus den Fragen des Referendums nicht hervor. Wer aber eine Änderung der Verfassung ablehnen wollte, konnte dies nicht kundtun. Eine Wahlmöglichkeit für den Status quo, also für das Verbleiben in der Ukraine ohne die Wiederherstellung einer Verfassung von 1992, gab es nicht.

Beim Kosovo sei in Erinnerung gerufen, dass da die serbischen Machthaber unter Milošević zwischen 1988 und 1990 die in der jugoslawischen Verfassung von 1974 garantierte Autonomie des Kosovo aufgehoben, das kosovarische Regionalparlament aufgelöst und die kosovarischen Vertreter durch eigene Gefolgsleute ersetzt hatten. Dass dort belegbar und systematisch die albanische Bevölkerungsmehrheit unterdrückt und benachteiligt wurde. Dass spätestens im Krieg in Bosnien serbische Nationalisten dann auch ihren Willen und ihre Fähigkeit zum Massenmord offen demonstriert hatten. Nichts davon ist vergleichbar mit der Situation in der Ukraine. Auch als der russische UN-Botschafter bei der Sitzung am 2. März versuchte, das russische Agieren mit solchen Verweisen auf den Kosovo und einen angeblichen "Genozid in der Ostukraine" zu begründen, wurde dies von der Sitzungsleitung kühl aber entschieden zurückgewiesen.

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