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  • Schall

38 Beiträge seit 02.07.2023

Ein Vertragsentwurf ist erstmal nur ein Entwurf

Eigentlich ist es schon etwas fast triviales, das Einige vielleicht schon in ihrem Leben erlebt haben. Man denkt man hat einen guten Vertrag sicher. Nur das Detail der Unterschrift fehlt noch und dann kommt eine Absage. Keine Unterschrift, keine Vertrag.

Man kann Wütend sein, schliesslich hat man einen Entwurf ausgehandelt, aber man kann die Gegenseite nicht zur Unterschrift zwingen. Das der Entwurf unterschriftsreif war bedeutet wenig, den bis zur Unterschrift hat die andere Vertragspartei Zeit den Vertrag nochmal genau zu prüfen und zu überdenken und die andere Partei kann zum Schluss kommen, dass es sich der Vertragsentwurf zwar das Beste ist was auszuhandeln war, aber eben zu sehr gegen die eigenen Interessen geht um den Vertrag abzuschliessen.

Eine Punkte, die der Autor auflistet, kann man ohne viel Mühe ganz anders lesen.

So menschlich verständlich es gewesen wäre, nach dem Bekanntwerden des Massakers von Butscha die Verhandlungen in Istanbul zu beenden, so bemerkenswert ist, dass dies in Wirklichkeit nicht der Fall war. Der Faktenfinder liegt hier eindeutig falsch.

Seltsames Verständnis der Situation und zu glauben, dass dies die einzige Erklärung für die Beobachtung ist. Möglich ist auch, dass die ukrainische Seite für sich sagte "Mit Butscha haven die Russen gezeigt, dass man ihnen nicht trauen kann, aber geben wir den Verhandlungen eine letzte Change bevor wir sie abbrechen."

Eine Intensivierung von Verhandlungen zu beobachten muss nicht heißen, dass die Verhandlungen erfolgreich verlaufen. Es könnte auch bedeuten, dass eine Seite zu ihrer Deadline ein vollständigeres Bild haben will um dann eine go oder no-go Entscheidung zu treffen.

Beim Veto-Recht hat der Faktencheck des Faktenchecks aus meiner Sicht ebenfalls ein verengten Blick.

Zum einen forderte die russische Delegation, dass im Angriffsfall alle Garantiestaaten zur Aktivierung des Beistandsmechanismus zustimmen müssen – somit auch Russland selbst.

Gut möglich, dass es der Teil gleich wieder gestrichen wurde, aber das die russische Delegation diesen Vorschlag gemacht hat zeigte, dass sie nicht wirklich an einem Verhandlungslösung arbeitete. Der Vorschlag ist so naiv, dass die russische Delegation nicht geglaubt haben können damit durchzukommen. Mit solchen Vorschlägen säht man Misstrauen bei der Gegenseite.

Die Frage, warum der Artikel des Faktenfinders mit keinem Wort erwähnt, dass die offenen Punkte wie die russische Forderung nach einem Veto auf einem Treffen zwischen Selenskyj und Putin entschieden werden sollten, blieb unbeantwortet.

Auch hier gibt es eine einfache Erklärung. Die Verhandlungsdelegationen erstellen einen Entwurf, der geht zurück an die jeweilige Führung. Die ukrainische Seite wird den Entwurf bewertet haben und festgestellt haben, dass die wichtigen Fragen ungeklärt sind und einfach nur auf die nächste höhere Ebene geschoben wurden. Jetzt kann Butscha eine Rolle gespielt haben. Die russische Bereitschaft zu Massakern und der schlechte Vertragsentwurf mögen die Ukraine zu dem Schluss kommen lassen, dass ein Treffen auf Präsidentenebene nichts bringen wird.

Trotz erheblicher Meinungsverschiedenheiten deutet der Entwurf vom 15. April darauf hin, dass der Vertrag innerhalb von zwei Wochen unterzeichnet werden würde.

Das der Vertrag nicht unterschrieben wurde zeigt, dass die Meinungsverschiedenheiten doch zu erheblich waren und damit sind wir wieder am Anfang.

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