Ammerländer schrieb am 11.05.2024 19:13:
Man muss unterscheiden zwischen Tatsachen (Fakten) und deren Interpretation (Meinungen).
In der Regel wird über Tatsachen gar nicht gestritten. Tatsachen sind z.B. Dinge, die man messen. Ich bin 173 cm groß und das wird kaum von jemandem bestritten. Ob ich mit dieser Körpergröße groß oder klein bin, ist keine Tatsachenfrage, sondern eine Interpretation der Tatsache und darüber kann man streiten. Man kann aber kaum sagen, dass die eine Meinung richtig ist und die andere falsch.
Schwierig wird es mit mentalen Tatsachen, weil wir keinen Zugang zum Mentalen unserer Mitmenschen haben. Häufig argumentiert man damit, dass eine Person etwas gesagt hat, aber eine Person kann zwar sagen, was sie denkt und beabsichtigt, aber sie es wirklich beabsichtigt, können wir nicht wissen. Die Erfahrung zeigt, dass Politiker in den seltensten Fällen sagen, was sie denken. In Verhandlungen, nicht nur politischen, sagt keiner, was er denkt.Im konkreten Fall geht es um die Frage, ob die Verhandlungen vor dem Abschluss standen oder nicht.
Die Tatsachen sind, dass verhandelt wurde und dass es Papiere gibt, die den Verhandlungsstatus festhalten.
Ob die beiden Seiten ernsthaft verhandelt haben und abschließen wollten, können wir wie oben dargelegt gar nicht wissen. Vielleicht war es für eine oder beide Seiten nur ein Spiel.
Aber man kann darüber eine Meinung haben und diskutieren. Ob diese Meinung wahr oder falsch ist, können wir nicht wissen.Braucht man Tatsachen in Verhandlungen? Eigentlich nicht, denn kein guter Verhandler wird in Verhandlungen etwas Falsches behaupten. Verträge sehen in der Regel immer Verifikationsmechanismen vor. Es kommt heraus und man verliert das Wichtigste in den Verhandlungen: das Vertrauen des Vertragspartners.
In Verhandlungen ist es wichtig, sich in die Position des Partners hineinversetzen zu können, sein Weltbild zu verstehen. Wie sieht er die Dinge und was ist ihm wichtig? Es spielt dabei gar keine Rolle, ob ich das Weltbild der anderen für falsch halte. Er hält man wahrscheinlich meines auf für vollkommen daneben.
So einfach ist das nicht.
Es gibt zwei unterschiedliche Wörter im Deutschen.
Wahrheit und Wirklichkeit.
Jetzt ist es so, das die Wirklichkeit unendlich komplex ist. Nimand kann sie jemals erfassen.
Dafür haben wir die Wahrheit. Eine Interpretation der Wirklichkeit. Blöderweise können Interpretation erheblich voneinander abweichen.
Jetzt entscheiden aber diese Interpretation letztendlich über Schuld und Unschuld. Über Sieg oder Niederlage, über Macht, oder Ohnmacht.
Russland hat eine ganz eigene Wahrheit zu den Ereignissen.
Und genau darum geht der Krieg. Beiden Seiten ist es völlig egal wie viele Menschen sterben.
Beiden Seiten ist es völlig egal, wer mehr von diesem völlig zerstörten Land bekommt.
Es geht ausschließlich darum Geschichte zu schreiben, die eigene Wahrheit zu etablieren.
Wo kämen wir auch hin, wenn Zweifel aufkommen.