beim Lesen der Ausführungen des Herr Nowak drängt sich unweigerlich die Frage nach 'dem Anderen', dem Unaussprechlichen, Undenkbaren auf - was ist eigentlich mit dem Innenleben der russischen Armee? Was denkt ein Vatnik im Erdloch auf der anderen Seite des Minenfeldes? 'Ich beschütze hier Mütterchen Russland vor den Aggressoren der NATO!' - oder denkt er 'ich will gar nicht hier sein - was gehen mich die Nazis in Kiev an?' Ist er davon überzeugt, dass seine Vorgesetzten die tollen Ideen des Präsidenten mit immerhin 20 Jahren Berufserfahrung bestmöglich umsetzen? Was denken die Leute in irgendeiner Kleinstadt im fernen Sibirien, die zum x-ten Mal auf den Friedhof ziehen und wieder ein Grab mit nem weiß-blau-roten Gesteck garnieren? Was ist aus den Wehrpflichtigen geworden, die den Winter '22 beim Camping in nem belarussischen Wald verbrachten und am 24. Feb. morgens auf dem Weg in die Ukraine waren - gehen die nochmal hin? Würden die den Aufsatz von Nowak unterschreiben? Immerhin haben sie Einblicke aus erster Hand.
dieses völlige Ausblenden der russischen Innenansicht bei Putin-Freunden stört ungemein - da wird nichts hinterfragt, gedeutet, erklärt. Wie konnte der große Geschichtsversteher (mit immerhin mehr als 20 Jahren Berufserfahrung als Präsident) die Lage so falsch einschätzen? War der Krieg seine Idee? Oder wurde er ihm aufgedrängt und er hat sich bis zur allerletzten Minute dagegen gewehrt? Aufgedrängt vom wem? Von den Militärs? Von den Oligarchen? Lavrov? Oder vom Kreml-Astrologen?
Ich denke, die Putin-Apologeten können sowenig dazu sagen, weil ein Nachdenken über die Hintergründe (theoretisch: Putins Pläne und praktisch: Vatniks Gedanken) zu einer beträchtlichen unangenehmen kognitiven Dissonanz führen - da ist es eben einfacher in leicht verständlichen, weil einfach gestrickten, Begründungen vermeintlicher westlicher Verfehlungen zu argumentieren.