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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Meinungen statt Argumente?

Hhhm, die "rot blinkenden Linien" sehe ich nicht so ganz. Wann und wo soll das gewesen sein?

Die Ukraine hat lediglich ihren Wunsch Bestandteil der europäischen Staatenfamilie inklusive EU- und NATO Mitgliedschaft formuliert. Das ist nichts weiter als der Gebrauch der ihr nach KSZE-Charta zustehenden Souveränitätsrechte. Beide Organisationen haben das erstmal abgelehnt und ziemlich taffe Bedingungen formuliert, die die Ukraine für einen Beitritt erfüllen müsste.

Für eine echte Neutralität der Ukraine wäre es übrigens auch erforderlich gewesen, dass die auf ukrainischem Territorium stationierten russischen Truppen (Krim) die Ukraine verlassen. Neutrale Staaten dulden keine fremden Truppen auf ihrem Staatsgebiet.

Also ein klassischer Konflikt zwischen dem Wunsch der Ukraine, sich dem Westen anzuschließen und den Bedenken Russlands, im Süden eine lange, direkte Grenze mit der NATO zu bekommen. Genau das, was gemäß KSZE-Schlussakte unter die "friedliche Regelung von Streitfällen" fallen würde. Russland hätte sich vielleicht auf den Artikel "Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer" berufen können, wobei nicht recht ersichtlich ist, worin diese Bedrohung durch die Ukraine denn konkret hätte bestehen sollte. Aber das hätten man eben nur in Verhandlungen klären müssen. Die gab es aber nie.

Denn anstatt konkrete Wünsche zu äußern, wie z.B. Obergrenzen für die Stationierung von NATO-Truppen oder Beschränkungen für bestimmte, von Moskau als besonders bedrohlich eingestufte Waffensysteme (z.B. AEGIS-Raketenabwehr) besetze und sich Gedanken zu einem sinnvollen Gesprächsformat zu machen, annektierte Russland die Krim ohne jegliche Vorwarnung unter eklatanter Verletzung des Stationierungsabkommens, als die russlandfreundliche Regierung in Kiew stürzte. (Nebenbei: Putin hatte selbst maßgeblichen Anteil an deren unrühmlichem Ende, indem er seinen ums politische Überleben kämpfenden Statthalter Janukowitsch erst demütigte und dann fallen ließ.) Die Ukraine hatte gar keine Chance, dieses "Ereignis" abzuwenden, zumal Russland seine Beteiligung leugnete.

Damit war die abschüssige Bahn in Richtung Eskalation betreten. Die nächste Stufe wurde von Putin gezündet, als in den USA der russlandfreundliche Trump durch den russlandkritischen (und ukraine-affinen) Biden ersetzt wurde. Vorher hatte der für Putin schwer einschätzbare Newcomer Selensky in der Ukraine die Präsidentschaftswahl gewonnen und damit endgültig die russischen Hoffnungen zunichte gemacht, ihren alten Einfluss, so wie nach der "orangenen Revolution" 2004, zeitnah wieder herstellen zu können. Nach dem desaströsen Abzug der USA aus Afghanistan schien der Zeitpunkt günstig, in dem vor sich hin schwelenden Krieg gegen die Ukraine endgültig Fakten zu schaffen. Die Papiere, die Russland den USA und der NATO kurz vor der Invasion zur Unterschrift übergab, kann man wohl kaum noch als Gesprächsangebot zur friedlichen Regelung im Sinne der KSZE-Schlussakte bezeichnen, zumal die Ukraine dabei komplett übergangen wurde.

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