Ammerländer schrieb am 21.06.2024 10:49:
Es gibt grob zwei Theorien zur Beschreibung von internationalen Beziehungen.
Die eine geht auf I. Kants Schrift zum ewigen Frieden zurück und besagt, dass Demokratien keine Kriege gegeneinander führen. Wenn also erstmal alle Länder Demokratien sind, gibt es keine Kriege mehr. Dies ist heute im Westen die Mehrheitsposition. Es gibt Leute, die dies für ein Naturgesetz halten.
Die andere Theorie beschreibt die Geopolitik als Auseinandersetzung zwischen Großmächten.
John Mearsheimer ist der führende Vertreter dieser Theorie. Sie beansprucht nicht alles, aber etwa 3/4 aller Auseinandersetzungen erklären zu können. Dies ist die Minderheitenposition.
Angeblich kann man in Deutschland keine akademische Karriere machen, wenn man diese Position vertritt.Eigentlich könnte man jetzt sachlich darüber diskutieren, welche Theorie besser zur Wirklichkeit passt. Das setzt aber eine gewisse Offenheit für das Ergebnis voraus. Man darf die Möglichkeit, dass der andere bessere Argumente hat, nicht von vorn herein ausschließen.
In der heutigen Situation beanspruchen aber die meisten Diskutanten, dass sie im Besitz der Wahrheit seien und die anderen unlautere Absichten haben. Damit ist eine Diskussion nicht wirklich möglich und man ist eher an religiöse Auseinandersetzungen früherer Jahrhunderte erinnert.
Das Problem an Mearsheimers "Neorealismus" ist, dass dieser keinen stabilen Zustand darstellt. Eine Hegemonie erfordert zumeist die gewaltsame Unterdrückung anderer Völker, was inneren Frieden ausschließt. Die Kosten für die Hegemonialmacht sind auf Dauer immens. Das mussten bereits die Römer feststellen.