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mehr als 1000 Beiträge seit 15.02.2021

Re: Was könnte einen an einen Sieg der Ukraine glauben lassen?

hdwinkel schrieb am 22.06.2024 08:30:

Die Frage einer Niederlage der Ukraine stellt sich zumindest dann, wenn bereits die dauerhafte Besetzung eines Teils des Territoriums durch Russland als Niederlage interpretiert wird.

Was auch im Sinne des Völkerrechts ist, auf das sich die Staaten der Welt geeinigt haben.

Die interessantere Frage für mich ist allerdings, was viele Menschen an einen militärischen Sieg der Ukraine glauben lässt. Wobei Sieg hier als Rückzug Russlands hinter die eigenen Grenzen interpretiert wird und nicht die Besetzung Moskaus.

Sie glauben es nicht nur, sie wollen es auch in der überwiegenden Mehrheit.

(Deine Definition des Ukrainischen Sieges ist übrigens richtig und fair. Persönlicher Pluspunkt...)

Die gesamte EU als auch die NATO verkünden unverdrossen, dass die Ukraine siegen müsse und damit auch könne.

Das stimmt auch so, denn die Ukraine nimmt Russland nach und nach die Fähigkeiten, die man im Krieg braucht. Während die Ukraine ihre Fähigkeiten nach und nach aufbaut.

Zur Begründung wird wahlweise angegeben, dass
- Russland ökonomisch bald am Ende angekommen sein wird und der Westen so viel größer ist
- Die westliche Waffenproduktion ja jetzt erst anläuft
- Die Ukraine bisher 'mit einem Arm' kämpfen musste
- Die Geschichte ja immer gut ausgeht

Und weil die Ukraine mittlerweile aus eigener Kraft die russische Ölförderung stillegen und Russland damit in den Konkurs treiben kann.

Da niemand will, dass ein Top3-Förderland ausfällt, unterstützt die Welt jetzt die Ukraine in der Verteidigung und wenn ich mir ansehe, was alles passiert ist, seitdem der Stand erreicht ist, - die Amis zahlen und liefern wieder, Frankreich bietet den Einsatz seiner Soldaten an, die halbe Welt stiftet Patriot, Schweden gibt ein AWACS, Argentinien Betankungsflugzeuge für die Unterstützung der F16, die US-Produktion für Drittländer ist aufgeschoben um der Ukraine den Vorrang zu geben, ...

Late, but not too late.

Nur stehen diesen Argumenten irgendwie die Wirklichkeit im Weg:
- Russland verlagert seine Wirtschaft Richtung Asien und globaler Süden, die sind zwar alles keine Freunde Russlands, aber auch keine Freunde des Westens und deshalb funktioniert der Handel

Im Klartext heißt das: Russland importiert alle Waren, die im Land aufgrund der russischen Neandertaltechnik und der Umwidmungen zur Waffenproduktion nicht mehr produziert werden können, aus China. Bezahlt wird mit Waren oder Goldreserven. Jede Ware, die Russland importieren muss, muss im Rahmen dieses durch Export generierten Budgets liegen, und es kommen täglich Warengruppen hinzu. Zum Beispiel Treibstoff, den Russland kaum noch selbst produzieren kann. Russland muss also seinen Export erhöhen um die Budgets füllen zu können.

China kann sich mittlerweile erlauben zu fordern, dass Russland seine Gaslieferungen subventioniert wenn China seine Abnahmemenge erhöhen soll. Und hat auch gleich seine Beteiligung an der geplanten Pipeline zurückgezogen, die Russen dürfen zwar bauen, aber sie müssen auch alles bezahlen.

China ist tatsächlich kein Freund Russlands. Im Gegenteil, die haben noch einige offene Rechnungen auf dem Tisch liegen. Und an der Geschichte mit dem Gas sieht man, dass sie beinhart agieren. Mich würde nicht wundern, wenn ihnen bald die Gegend östlich des Urals gehört. So, wie Häfen und Flughäfen in Afrika. Die Chinesen können das, da haben sie viel Erfahrung.

Auf der anderen Seite stehen so ziemlich alle westlichen Regierungen gerade vor Sparmaßnahmen. Gerade jetzt eröffnet die EU-Kommission z.B. ein offizielles Verfahren gegen Frankreich wegen der Verletzung der Maastrichkriterien.
In Deutschland reicht die normale Finanzierung ebenfalls hinten und vorne nicht

Aus einer zehn Jahre alten News:

Das Maastricht-Kriterium von maximal 3,0 Prozent des Budgetdefizits wurde von 2009 bis 2012 in den 27 EU-Staaten insgesamt 75 mal gebrochen. Von 2005 bis 2008 war dies lediglich 26 mal der Fall.

Nunja, in guten Zeiten 26 Verstöße, in schlechten Zeiten 75 Verstöße. Wir haben es überlebt.

- Die westliche Waffenproduktion wird sicherlich gesteigert werden, nur wird das für die Ukraine reichen? Und ab wann greift das denn?

Ab gestern. Oder vorgestern? Die westliche Produktion wird umgelenkt, und die Bedarfe der Ukraine werden vorgezogen. Das reicht erstmal. Wie gesagt, der Westen ist nicht Russland, im Westen ist der Krieg immer noch Portokasse im Vergleich zu Russland.

Wieviele Jahre verkraftet es die Ukraine, Krieg zu führen? Wer wird die Waffen bedienen? Die Ukraine ist bereits jetzt auf Anschlag, was die gesamtwirtschaftliche Lage mit Menschen anbelangt.

Nicht die Bohne. Die Ukraine hat mit Rücksicht auf viele Faktoren den Zeitpunkt verpasst, an dem sie hätte mobilisieren müssen und holt das jetzt nach. Dafür hat die Ukraine auch immer noch eine funktionierende Produktion und kann sogar Produktion aufbauen.
Russland hingegen hat keine Arbeitskräfte mehr, sie locken Afrikanische Familien mit Einbürgerung wenn die Frauen in der Rüstung arbeiten.

Je länger die bisher geflohenen Menschen wegbleiben, desto endgültiger wird deren Entscheidung sein. Die Zeitfrage ist also kritisch.

Die Ukraine ist auch bisher ohne sie ausgekommen. Und wer im Krieg sein Land verlässt, der sollte es nach dem Krieg sowieso nicht mehr betreten (dürfen).

- Die Ukraine durfte bisher keine weitreichenden Waffen aus westlicher Produktion gegen russisches Territorium einsetzen. Wird sie das in Zukunft denn dürfen?

Darf sie das nicht jetzt schon? Putin hat doch dafür gesorgt, dass sie es dürfen. Und mal ganz ehrlich, die Ukraine braucht die Waffen im wesentlichen für die Verteidigung und für die Befreiung der besetzten Gebiete. Dort, wo der russische Angriff große Mengen an Munition erfordert.
Im Hinterland kommen sie mit ihren Drohnen super klar, mittlerweile gibt es Drohnen mit Repeatern, die den Kampfdrohnen zusätzliche Reichweite verleihen.

Das Risiko einer direkten Konfrontation der Nato mit Russland bleibt ja bestehen. Weshalb sollte sich an diesen Parametern etwas ändern?

Eben, es bestand seit jeher. Am Ende liegt es bei Putin ob weitere Staaten hineingezogen werden. Wie wilst Du das verhindern?

Putin weiß allerdings, dass ihm das nicht wirklich hilft. Genausowenig wie seine Atomwaffen. Die einzige Lebensversicherung für Russland ist die Tatsache, dass die Welt zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf russisches Gas und Öl verzichten kann.

Zumal die Bevölkerungen in Europa immer allergischer auf Pläne reagieren, in einen Krieg verwickelt zu werden.

Die Lösung ist, dem Volk zu erklären, dass die Lebensmittel nicht wegen des Engagements in der Ukraine teurer geworden sind, sondern weil die deutschen Bauern ihren Reibach verdoppelt haben.

- Bleibt die Grundhoffnung, dass sich das Gute schon irgendwie durchsetzt.
Na ja. Im Augenblick setzt sich gerade eher die Erkenntnis durch, dass der Krieg Russlands illegal ist und die Ukraine deshalb unterstützt gehört, aber dass die Ukraine die europäische Demokratie und Freiheit verteidigen würde, eher eine Wunschvorstellung ist, die mit der Realität eher weniger zu tun hat.

Nun, die Ukraine hatte sich vor dem Überfall bereits von einem durchweg korrupten und von Russland abhängigen Landstrich zu einem immer noch überdurchschnittlich korrupten demokratischen Staat entwickelt, der willens und aktiv dabei war, das SU-Erbe abzuschütteln. Kurz vor dem Überfall hatte die Ukrainische Regierung noch eine internationale NGO zur Korruptionsbekämpfung ermächtigt und ist selbst jetzt im Verteidigungsfall kräftig dabei, die Korruption zu beenden.

Wenn also die Zahl der aufgedeckten Korruptionsfälle steigt, heißt das nicht zwingend, dass die Korruption steigt. Es steigt nur die Bereitschaft, diese Fälle auch zu verfolgen.

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