Meine aus Charkiw stammende Kollegin, ethnische Russin, hat mir das so erklärt: Was die übergroße Mehrheit der Ukrainer in der Orangenen Revolution und in der Maidanrevolution entsorgen wollte, war nicht die russische Ethnie , sondern der unheilvolle Einfluss der russischen Politik auf die Ukraine.
Gemeint ist damit das oligarchistisch-mafiöse System, das sich bereits in der Spätphase der Sowjetunion gebildet und durch die katastrophalen Privatisierungen des Besoffskis Jelzin zu katastrophaler "Blüte" entwickelt hatte. Putin hat dieses System ja nicht etwa zerstört, sondern sogar noch gestärkt und zu seinem allein auf ihn ausgerichteten Machtinstrument gemacht.
Deswegen steht auch die EU dort so hoch im Kurs, denn die Ukrainer müssen nur in ihre Nachbarländer schauen um zu sehen, was die EU dort bewirkt.
Auf den Protestzug der Ukrainer sind natürlich radikale Nationalisten aufgesprungen - so wie sie das überall tun, wo sich Unzufriedenheit ausbildet. Das ist allerdings eine kleine Minderheit.
Wer so wie du versucht, die ethnische Karte zu spielen, hat von den inneren Konflikten der Ukraine nichts begriffen oder versucht damit andere Absichten zu kaschieren.
Nachdem die russischen Aggressoren Charkiv massiv beschossen und teilweise dem Erdboden gleichgemacht hatten, etwa das Nachbarviertel dessen wo meine Kollegin aufgewachsen ist, ist niemand in der Region Russland noch "zugetan".
Den von dir zitierten Artikel aus der NZZ habe ich mir nochmal reingetan. Da wird auch ein wenig klarer, was da wirklich in 2014 gelaufen ist: "Allerdings entlarvten sich die angeblich ortsansässigen Aktivisten als ortsunkundige Handlanger Moskaus, indem sie zunächst das Schewtschenko-Theater mit dem Rathaus verwechselten." Das hast du natürlich unterschlagen; das wirft auch diesmal kein gutes Licht auf das was du schreibst.
https://www.nzz.ch/international/der-duenne-lack-der-ukrainisierung-ld.1336568