In einem Verlag, in dem einige Telepolis-Autoren veröffentlichen, erschien von Dr. Jonas Tögel kürzlich das Buch "Kognitive Kriegsführung".
Er erläutert u.a.: Was ist Kognitive Kriegsführung?
Sie ist ein NATO-Programm, das „die aktuell fortschrittlichste Form der Manipulation“
(11.–3. Juni 2021. Cognition Workshop. Innovative Solutions to Improve Cognition. Innovation Hub, S. 3.)
darstellt. Es wird seit 2020/21 vorangetrieben. Neben den fünf Kriegsschauplätzen – zu Wasser, zu Lande, in der Luft, im Internet ud im Weltall – kommt nun die „menschliche“ oder „kognitive Sphäre“ hinzu. Jeder Mensch ist Ziel professioneller Manipulationswaffen, um Gedanken, Gefühle und Verhalten vollständig zu überwachen und zu steuern.
Wer ist in NATO-Ländern für die Planung der kognitiven Kriegsführung verantwortlich? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung?
Erste Veröffentlichungen kamen vom „Innovation-Hub“, einem NATO-nahen NATO-finanzierten Think Tank., um dem Führungspersonal die Bedeutung der Kognitiven Kriegsführung bewusst zu machen. Dass dies gelang, zeigen Texte der NATO-Forschungsabteilung (STO: Science and Technology Organisation) und die Einbindung der Führungsebenen wie dem früheren Supreme Allied Commander Transformation André Lanata, der an einem Symposium zu Kognitiver Kriegsführung Mitte 2021 teilnahm.
Während es gegen Vietnam- oder Irakkrieg noch Proteste gab, wirkt das nun anders. Haben NATO-Strategen das Volk nun besser im Griff?
Ja. Es bedarf der Aufklärung über moderne Kriegspropaganda um den gefährichen Einfluss der Kognitiven Kriegsführung zu neutralisieren. In vielen Ländern ist es dem Militär und der Regierung
verboten,
das eigene Volk mit Propaganda direkt zu beeinflussen. Die NATO betrat dünnes Eis mit dem offiziellen Programm zur Manipulation der eigenen Bürger. Da die NATO das weiß, gibt es zur Zielgruppenfrage wenige Aussagen. Es wird nur gesagt, Ziel der Kognitiven Kriegsführung sei es,
„Gesellschaften zu schaden und nicht nur dem Militär“ (Du Cluzel, François (2021). Cognitive Warfare. Innovation Hub, S. 32.).
Man verschweigt, welche Bevölkerung dazugehört. Ein Dokument betont, dass „die Human Domain of Operations (Menschliche Sphäre als Kriegsschauplatz) […] sich auf das ganze menschliche Umfeld bezieht,
FREUND wie Feind.“ (Du Cluzel, François (2021). Cognitive Warfare. Innovation Hub, S. 29)
Auch heißt es, „Brandstifter“ können sich auf dem Kriegsschauplatz „in- und außerhalb“ der eigenen Grenzen befinden könnten. (Cole, August & Le Guyader, Hervé (2020). NATO’s 6th Domain of Operations. Innovation Hub, S. 12.)
Im Symposium zur Kognitiven Kriegsführung beschrieb der französische General Eric Autellet: „Seit Vietnam wurden, trotz militärischer Erfolge, unsere Kriege insbesondere wegen der Schwäche unseres Narratives (‚die Herzen und Köpfe der Menschen zu gewinnen‘)
verloren,
im Hinblick auf Menschen vor Ort [...] als auch auf unsere
eigene
Bevölkerung. Im Hinblick auf unser Handeln gegenüber einem Feind oder Freund steht zweierlei auf dem Spiel, wir können passive oder aktive Handlungsweisen festlegen und dabei Grenzen und Zwänge unseres Freiheitsverständnisses und unserer Demokratie berücksichtigen. Im Hinblick auf unseren Feind müssen wir den Verstand unserer Gegner ‚lesen‘ können, um ihre Reaktionen vorauszuahnen. Notfalls müssen wir in die Gehirne unserer Gegner ‚eindringen‘, um sie zu steuern, damit sie gemäß unseren Wünschen handeln. Was unseren
Freund
angeht (wie uns selbst), müssen wir unsere Gehirne schützen sowie unsere geistigen Fähigkeiten des Verstehens und unsere Entscheidungsfähigkeiten zu verbessen.“ (Autellet, Eric (2022). Cognitive Warfare – Contribution of the French Armed Forces Deputy Chief of Defence. In Claverie, Bernard; Prébot, Baptiste; Buchler, Norbou & Du Cluzel, François (Hrsg.), Cognitive Warfare: The Future of Cognitive Dominance. NATO-STO Collaboration Support Office (S. 23–24), S. 24.)
Waren die Corona-Maßnahmen eine militärisch gelenkte PsyOp?
Das ist schwer abzuschätzen. COVID-19 spielt in Artikeln zur Kognitiven Kriegsführung eine Rolle. (Gill, Ritu & Goolsby, Rebecca (Hrsg.). (2022). COVID-19 Disinformation: A Multi-National, Whole of Society Perspective. Springer) da ein Vertrauensverlust in offizielle Institutionen befürchtet wird, den die Kognitive Kriegsführung überwinden soll. (Du Cluzel, François (2021). Cognitive Warfare. Innovation Hub, S. 8.)
Psychologische Beeinflussungen fanden in der Pandemie statt - durch „Nudging“ (Schubsen). Auch war die Kognitive Kriegsführung im Kampf gegen „Desinformationen“ in der Pandemie involviert (Gill, Ritu & Goolsby, Rebecca (Hrsg.). (2022). COVID-19 Disinformation: A Multi-National, Whole of Society Perspective. Springer).
In den Corona-Jahren ging ein Riss durch die Bevölkerung. Hat das Machteliten genutzt?
Die Spaltung ist gut belegt. So ergab eine aufwendige Studie ( https://doi.org/10.1038/s41562-022-01469-6.%3C/li%3E ) im November 2022, dass nach der Polarisierung Geimpfte sich stark mit ihrer Gruppe identifizierten und Ungeimpfte abwerteten. Dagegen zeigten sich Ungeimpfte toleranter und brachten Geimpften als auch Ungeimpften ähnlich viel Akzeptanz entgegen. Man könnte nun die negativen Folgen dieser Spaltung thematisieren. Die Autoren dagegen empfehlen eine Impfpflicht: „Sobald fast alle aufgrund einer verpflichtenden Impfung geimpft sind, kann man sich durch den Impfstatus nicht mehr von anderen unterscheiden“.
Der große Vertrauensverlust in Regierungen und Institutionen, wird von Betroffenen als Problem erkannt. NATO-Generalsekretär Stoltenberg betonte Ende 2021: „Es gibt weniger Vertrauen in unsere Institutionen.“ (NATO (8.12.2021). Acceptance speech – by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the “Mihnea Constantinescu” Values-based Leadership Award. Nato.int) Er macht „bösartige Cyberwaffen“, „Propaganda und Desinformation“ „autoritärer Regimes“, die „alternative Regierungsformen vorantreiben“, für das schwindende Vertrauen verantwortlich (NATO (8.12.2021). Acceptance speech – by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the “Mihnea Constantinescu” Values-based Leadership Award. Nato.int) - eine seltsame Deutung.
Könnte dieser Vertrauensverlust zum Problem für die Gedankenkontrolle werden?
Würde sich in westlichen Ländern die Ansicht durchsetzen, dass Russlands Krieg nur die Antwort auf die Expansion der NATO und den Putsch 2014 war, wäre der Krieg um die öffentliche Meinung (die Kognitive Kriegsführung), verloren. Die Niederlage würde mindestens so schwer wiegen wie die Unterlegenheit auf dem Schlachtfeld selbst.
Je nachdem, wie NATO und Regierungen auf Vertrauensverluste reagieren, könnten repressivere Maßnahmen bewirken, dass die Einflusstechniken spürbarer werden – wie bei den Impfkampagnen. Je mehr die Beeinflussung von außen als solche erkannt wird, desto stärker ist der Widerstand unseres psychischen Immunsystems.
Wenn die NATO es als Ziel erklärt, „jeden Menschen zu einer Waffe zu machen" - was ist damit gemeint?
Die NATO erklärte, dass Kognitive Kriegsführung eine „partizipatorische Propaganda“ (Wanless, Alicia & Berk, Michael (2021). Participatory propaganda: The engagement of audiences in the spread of persuasive communications. Social Media and Social Order, 111–139) ist, bei der jeder mitmachen kann. Während immer mehr Menschen wichtige Informationen verbreiten und sich Gehör verschaffen können, kann man durch Troll-Armeen oder Bots soziale Netzwerke fluten und manipulieren. (Wanless, Alicia & Berk, Michael (2021). Participatory propaganda: The engagement of audiences in the spread of persuasive communications. Social Media and Social Order, 111–139, S. 116–117). Man kann gezielt Influencer rekrutieren, welche sich vom offiziellen Narrativ abweichende Meinungen als „Verschwörungstheorien“ abwerten – das geschieht zum Beispiel an Schulen, wo einzelne Schüler gezielt wie „Tugendwächter“
(Roozenbeek, Jon & van der Linden, Sander (29.10.2021). Inoculation Theory and Misinformation.
NATO StratCom COE; European Commission, Directorate-General for Education, Youth, Sport and Culture (2022).
Final report of the Commission expert group on tackling disinformation and promoting digital literacy through education and training : final report. Publications Office of the European Union) geschult werden, um „Desinformation“ zu bekämpfen.
Der Erste Weltkrieg markiert den Beginn moderner Propaganda - mit Theater, Kino und Zeitungen als Massenmedium - und ca. 17 Millionen Toten. Im Zweiten Weltkrieg kam das Radio hinzu - mit mehr als 70 Millionen Toten.
Die immer gezieltere Kognitive Kriegsführung kann nun auch auf Internet, Smartphones, soziale Netzwerke und Künstliche Intelligenz zurückgreifen (Cull, Nicholas J. (22.4.2019). Nick Cull Answers More Questions on Propaganda. USC Center on Public Diplomacy)
Bleiben die Manipulationstechniken unbemerkt, gleiten wir in eine „ewige“ sanfte „Diktatur“, wovor Aldous Huxley bereits 1958 warnte. (Huxley, Aldous (1958/1998). Wiedersehen mit der Schönen neuen Welt).
„Kognitive Kriegsführung könnte das fehlende Element sein, das den Übergang vom militärischen Sieg auf dem Schlachtfeld zum dauerhaften politischen Erfolg ermöglicht. […]
[NUR] die Menschliche Sphäre (Humain Domain (Cole, August & Le Guyader, Hervé (2020). NATO’s 6th Domain of Operations)) kann den
endgültigen und vollständigen Sieg
erringen“ (Du Cluzel, François (2021). Cognitive Warfare. Innovation Hub, S. 36) - erklärt ein Dossier des Innovation Hub.
Was können wir tun, um die Freiheit unserer Gedanken zu verteidigen?
Die Antwort findet man wiederum in den NATO-Dokumenten: Der größte Verbündete der Kognitiven Kriegsführung ist die Unwissenheit der Bevölkerung darüber ist, dass sie stattfindet. Es braucht ein Bewusstsein darüber, dass
wir
im Zentrum der erbitterten psychologischen Kriegsführung stehen. Umso wichtiger ist eine Aufklärung über die Kognitive Kriegsführung sowie eine Kenntnis der Manipulationstechniken, die uns jeden Tag steuern sollen.