Und nein, das ist nicht offensichtlich. Es geht um die Zerstörung eines Zivilflugzeugs, gewiss, und die Verantwortlichen dafür stammen aus regulären oder irregulären Streitkräften unter dem Kommando entweder der Ukraine, der nicht international anerkannten ostukrainischen Volksrepubliken, oder der Russischen Föderation, wobei die ersten beiden Möglichkeiten wahrscheinlich, die letztere eher unwahrscheinlich erscheinen.
Wenn bei militärischen Handlungen Personen zu Schaden kommen, was bei Waffeneinsatz regelmässig der Fall ist, ist das nur dann ein Fall für das Strafrecht, wenn es sich
1. um ein Kriegsverbrechen handelt
2. die bewaffneten Verbände keine Kombattanten im Sinne des Kriegsvölkerrechts sind.
Fall 1 wäre einschlägig bei einem vorsätzlichen Abschuss im Bewusstsein, dass es sich um eine zivile Maschine gehandelt hat. Das ist unabhängig davon, ob man im error in persona geglaubt hat, der russische Präsident sitze darin, oder mit einem solchen Abschuss politische Ziele wie die Diskreditierung der Aufständischen und/oder der Russischen Föderation beabsichtigte. Als Täter kämen hier nur reguläres ukrainisches Militär oder dem beigeordnete rechtsextreme Gruppen in Frage. Denn dass die Donbassmilizen vorsätzlich ein Zivilflugzeug abgeschossen haben, behaupten nicht einmal die Fälscher von SBU und Bellingcat.
Fall 2 ist zwar nach der Lesart der ukrainischen Putschregierung einschlägig, die die ostukrainischen Aufständischen pauschal als Terroristen diffamiert und ihren eigenen Terrorkrieg gegen die Donbassbevölkerung als "Antiterroroperation" schönredet. Sie hat aber keine kriegsvölkerrechtliche Relevanz. Die bewaffneten Kräfte des Donbass, auch wenn sie zeitweilig eher dezentral organisiert waren, operieren als Organe von Institutionen, denen alle Eigenschaften der de-fakto-Staatlichkeit zukommen. Hiervon unabhängig haben diese bewaffneten Verbände Kombattantenstatus im Sinne des Kriegsvölkerrechts, insbesondere der HLKO.
Damit sind, im Falle, dass der Abschuss auf einen Fehler der Donbassmilizen zurückzuführen war, die selben Kriterien einschlägig wie bei allen anderen Abschüssen ziviler Maschinen durch andere bewaffnete Organe, etwa Israels, der USA, oder zuvor (Sibir Air) der Ukraine. Gleiches gilt, wenn er auf Fehler der ukrainischen Streitkräfte zurückzuführen ist.
Auch eine Mitverantwortung eines anderen Staates, etwa der RF als angeblichem Lieferanten des Luftabwehrsystems nach dem SBU-Bellingcat-Narrativ wäre nur dann Mittäterschaft einer strafbaren Handlung, wenn eine solche vorläge, und das nicht nach den willkürlichen Kriterien des Kiewer Putschregimes.
Unberührt davon blieben zivilrechtliche Ansprüche, die gegen den Verursacher oder Ermöglicher auch dann vorliegen könnten, wenn keine strafrechtliche Schuld vorliegt. In erster Linie ist das die Ukraine mit ihrer Verantwortung für den zivilen Luftverkehr. Wenn allerdings die Donbasskombattanten grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hätten, wären auch sie haftbar, und möglicherweise auch ein äusserer Lieferant des entsprechenden Waffensystems. Letzteres ist aber eine sehr entfernte und abwegige Möglichkeit, wenn nicht etwa jeder Syrer und Houthi die USA, Deutschland, Saudiarabien, die Türkei und die Golftyranneien sowie die Ukraine für Terrorakte in Syrien und Jemen verklagen könnte. Denn diese Staaten haben sämtlich Waffen an irreguläre Kombattanten geliefert, und nicht nur einen wohl erfundenen Telar aus Kursk.
Wäre das JIT eine rechtsstaatliche Institution, müsste es diese Grundfragen erst einmal klären.
a^2
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.09.2019 14:19).