Ich kann diesen Krieg so sehen, dass Putin irgendwann morgens aufwachte, schlecht geschlafen hatte, bei seiner gestörten Persönlichkeit (ich will Zar Wladimir (vielleicht der Schreckliche) sein) beschloss den friedlichen, vollkommen souveränen und demokratischen Nachbarstaat zu überfallen, um sein Reich noch größer zu machen und die blütenreine Demokratie des Nachbarn nicht zur Gefahr für sein Reich der Finsternis werden zu lassen.
Ich kann, muss aber nicht. Und ich tue es auch nicht.
Um die Jahrtausendwende hatte ich Kontakt zu Wirtschaftsflüchtlingen aus der Ukraine. Damals hatte die Ukraine noch um die 52 Millionen Einwohner. Der Zusammenbruch der "sowjetischen" Gesellschaft ließ mich prüfen, ob in der "neuen" Gesellschaftsordnung eine wirtschaftlich ertragreiche Zusammenarbeit möglich war. Als mittelständischer Unternehmer stellte ich für mich fest, dies ist nicht möglich. Korruption und vor allem die fehlende staatliche Verfolgung von Einschüchterung, physischer Gewalt als Mittel des wirtschaftlichen Handelns machten dies für mich unmöglich. Ich investierte in Asien, die durch den gesellschaftlichen Umbau in Deutschland ermöglichte Überakkumulation erleichterte diesen Schritt. Mit der "Farbenrevolution", war sie 2004?, verließen sozialistische Ukrainer ihr Land, nicht (nur) wegen der wirtscchaftlichen Entwicklung, sondern weil sie in diesem äußerst gewaltbereiten Land einfach "verkloppt" wurden. 2010 hatte die Ukraine noch rd. 45 Millionen Einwohner. Wenn ich die Geburtenrate als Indikator für Zukunftsfähigkeit nehme, hatten die Ukrainer die Hoffnung auf Zukunft aufgegeben. Auf Grund der Forderungen des IMF wurden die Strukturen für eine oligarische Gesellschaftsordnung geschaffen, die Zusammendrängung des Grundbesitzes in der Größe von Fürstentümern oder Grafschaften in der Hand weniger ist erkennbares Beispiel dafür. Diese wirtschaftlichen Grundgegebenheiten führten dazu, dass das BIP je Kopf 2013 in Russland, welches sich nach der Jelzinzeit auf einen eigenständigen Weg der wirtschaftlichen Entwicklung, wohl sehr zum Leidwesen des kapitalistischen Westens, gegeben hatte, rd. 3,5 höher war als in der Ukraine. Diese gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung wurde seit Mitte der 90iger Jahre durch eine sich immer verstärkende militärische Zusammenarbeit der Ukraine mit Natoländern begleitet. Meine aus der Ukraine migrierten sozialistischen Freunde kommentierten: Wenn du deinem Volk kein Brot geben kannst, dann musst du ihm Patriotismus/Nationalismus geben. Ich mag kene trumpschen Beleidigungen, aber festzustellen, dass die Ukraine enorme Probleme hatte, ist wohl eher beschönigend.
In der europäischen "Sicherheitsarchitektur" sehen wir, dass Russland einfach immer näher an die Natostaaten kam. Besonders schön fand ich den in den baltischen Ländern aufgebauten Sicherheitsschirm gegen iranische Raketen. Berlin und Teheran liegen so etwa 3500 - 4000 km voneinander entfernt. Das der Iran so weitreichende Raketen hat ist mir nicht bekannt. Und wie eine logische Flugbahn einer aus dem Iran abgefeuerten Rakete aussieht, die über die baltischen Länder in Zentraleuropa eindringt, kann ich mir nicht vorstellen, geschweige der Möglichkeit, dass der Iran so weitreichende Raketen hat. Wofür war dieser Raketenschirm dann nötig?
Wir feierten gerade das 75jährige der Nato. Der Lob für dies "Friedesbündnis" war aus vielen Mündern zu hören, auch meine Ohren erreichte es. Das Natoländer äußerst kriegerisch handeln können hatte sich in meinem Wissen festgesetzt. Die daraus entstehende Dissonanz löste ich dadurch auf, dass ich "Friedensbündnis" in die Kategorie "Euphemismen" aufnahm. Wäre ich für einen Staat verantwortlichen, der sich nicht den Interessen des Kapitalistischen-Werte-Westens unterordnen will, würde ich, schon aus dem vergangenen Handeln der Mitglieder dieses "Friedensbündnisses" eine deutliche Distanz zu diesem wünschen.
Als 2022 der erste Schuss in diesem Krieg fiel, war für mich klar, und ausdrücklich nicht alles was für mich klar ist hält bei mir einem späteren Abgleich stand), dass es sich räumlich um einen sehr begrenzten Krieg handelt, eine große Regionalmacht verprügelt seinen schwächeren Nachbarn, (für verprügeln lassen sich zu Recht stärkere Wörten finden, aber ich lasse es mal dabei). Dieser Regionalkrieg hat aber weltpolitische Auswirkung. Eine Niederlage Russlands in der Art wie sie den feuchtesten der feuchten Träume gewisser Interessengruppen entsprach (Russland so aufteilen, dass es nie wieder zur Kriegsführung fähig wird) hätte aus meiner Sicht, im eigenen, nicht im Interesse Russlands, China verhindern müssen. Aus dieser Überlegung wäre für mich ein agieren geboten gewesen, dass die Bedeutung dieses Krieges auf einen Regionalkonflikt herunterbricht. Zu schnellen Friedensschlüssen drängt und langfristig an einer neuen weltweiten Sicherheitsarchitektur arbeitet. Europäische Politik hätte sich dem amerikanische Exzeptionalismus entziehen müssen. Stattdessen wollten die deutschen und europäischen Machthabenden den Showdown. Die Entwicklung in der Welt zeigt, sie waren bisher damit nicht erfolgreich. Die Kräfte, die gegen den westlichen Herrschaftsanspruch stehen, sind stärker geworden.
Der Krieg in der Ukraine wird zu Ende gehen. Jeder Krieg geht zu Ende. Der aus dem bisherigen Handeln entstandene Schaden für Europa (einschließlich Ukraine und Russland) ist enorm. Unsere Selbstschädigung sowohl im wirtschaftlichen als auch im Bereich der Souveränität (Reaktion auf North Stream Sprengung, Folgen der Sanktionen, Treibenlassen zu Waffenlieferungen, Stationierung neuer Waffen) dürfen wir durchaus im Auge behalten. Wenn ein Frieden nur bedeuten soll, es wird nicht mehr geschossen, dann geht die ständige Kriegsbereitschaft, basierend auf Kriegstüchtigkeit, weiter. Ein persönliches Erlebnis lässt mich aber hoffen. Ende der 60iger des vorigen Jhds. fuhr ich zu meiner in der französischen Provinz lebenden Freundin. Wir hatten uns bei einem Schüleraustausch kennengelernt. Ich hatte mich total verfahren und die Nacht zog schon auf. Glücklicherweise traf ich in so einem verschlafenen Kaff noch jemanden auf der Straße an. Ich suchte mein Schulfranzösisch zusammen und bekam dann die wohlwollende Gegenäußerung: Ach Junge. Mein Deutsch ist so viel besser als dein Französisch. Ich war lange genug bei euch in Kriegsgefangenschaft. Wir führten ein angenehmes Gespräch und ich fand den Weg wieder. Was war mein Opa noch ein unversöhnlicher Franzosenhasser gewesen.
Um sinnvoll an einem Friedensprozess teilzunehmen hat Deutschland seine Chancen vertan. Das Herbeiführen eines Friedens zu den Bedingungen des Wertewestens wird nicht zu einem nachhaltigen Frieden führen. Hoffen wir Alois Hingerl versackt nicht wieder. Vielleicht wäre sein Rat, mehr auf China, Indien, Brasilien zu schauen, dort zu motivieren, den Weg zu bereiten. Aus dem kleinen Schaden, den der offene Ausbruch des Krieges 2022 darstellte hat es, auch die deutsche Politik, bisher verstanden einen immer größeren zu machen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (11.09.2024 03:06).