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  • Gulet

243 Beiträge seit 02.12.2014

"Brief der Fünfzig" an Clinton

Fünfzig öffentliche Persönlichkeiten hatten Präsident Clinton vor der NATO-Osterweiterung gewarnt und genau das vorhergesagt, was jetzt eingetreten ist:

1. Russland: Isolierung und gesellschaftliche Fehlentwicklung,
2. Europa: Spaltung in Staaten 1. und 2. Klasse (Mitglieder, Nicht-Mitglieder),
3. NATO: Aufnahme von Staaten in der Bruchzone der ehemaligen Sowjetunion, was brandgefährlich und existenzbedrohend sein kann (Artikel 5),
4. USA: Ausufernde Kosten und zurückgehende Akzeptanz bei den Amerikanern.

Zu Dokumentationszwecken habe ich diesen Brief in dt. Übersetzung angefügt:

26. Juni 1997

Sehr geehrter Herr Präsident,

wir, die Unterzeichnenden, sind der Ansicht, dass die gegenwärtigen, von den USA angeführten Bemühungen um eine Erweiterung der NATO, die im Mittelpunkt der jüngsten Gipfeltreffen in Helsinki und Paris standen, ein politischer Fehler von historischem Ausmaß sind. Wir sind der Ansicht, dass die NATO-Erweiterung die Sicherheit der Verbündeten beeinträchtigen und die Stabilität Europas aus folgenden Gründen verunsichern wird:

1. In Rußland wird die NATO-Erweiterung, die nach wie vor im gesamten politischen Spektrum auf Ablehnung stößt, die nichtdemokratische Opposition stärken, die Befürworter von Reformen und der Zusammenarbeit mit dem Westen untergraben, die Russen dazu bringen, die gesamte Regelung für die Zeit nach dem Kalten Krieg in Frage zu stellen, und den Widerstand in der Duma gegen die START-II- und START-III-Verträge verstärken; in Europa wird die NATO-Erweiterung eine neue Trennlinie zwischen den Mitgliedern und den Nicht-Mitgliedern ziehen, die Instabilität fördern und letztlich das Sicherheitsgefühl der nicht einbezogenen Länder beeinträchtigen;

2. In der NATO wird die Erweiterung, die nach Angaben des Bündnisses ohne zeitliche Begrenzung erfolgen soll, unweigerlich die Fähigkeit der NATO beeinträchtigen, ihre Hauptaufgabe zu erfüllen, und sie wird Sicherheitsgarantien der Vereinigten Staaten für Länder mit schwerwiegenden Problemen in Bezug auf Grenzen und nationale Minderheiten sowie mit ungleichmäßig entwickelten demokratischen Regierungssystemen beinhalten;

3. In den Vereinigten Staaten wird die NATO-Erweiterung eine ausgedehnte Debatte über ihre unbestimmten, aber sicherlich hohen Kosten auslösen und das Engagement der Vereinigten Staaten für das Bündnis in Frage stellen, das traditionell und zu Recht als ein Kernstück der amerikanischen Außenpolitik angesehen wird.

Aufgrund dieser schwerwiegenden Einwände und in Ermangelung eines Grundes für eine rasche Entscheidung fordern wir nachdrücklich, dass der Prozess der NATO-Erweiterung ausgesetzt wird, während alternative Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören:

- Öffnung der wirtschaftlichen und politischen Türen der Europäischen Union für Mittel- und Osteuropa;

- die Entwicklung eines verstärkten Programms der Partnerschaft für den Frieden;

- Unterstützung einer kooperativen Beziehung zwischen der NATO und Rußland; und

- Fortsetzung des Prozesses der Rüstungsreduzierung und der Transparenz, insbesondere in bezug auf Kernwaffen und Kernmaterial, der größten Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten, sowie in bezug auf die konventionellen Streitkräfte in Europa.

Russland stellt derzeit keine Bedrohung für seine westlichen Nachbarn dar, und die Länder Mittel- und Osteuropas sind nicht in Gefahr. Aus diesem und den anderen oben genannten Gründen sind wir der Ansicht, dass die NATO-Erweiterung weder notwendig noch wünschenswert ist und dass diese schlecht durchdachte Politik auf Eis gelegt werden kann und sollte.

Mit freundlichen Grüßen,

George Bunn Townsend Hoopes Sam Nunn
Robert Bowie Gordon Humphrey Herbert S. Okun
Bill Bradley Fred Ikle W.K.H. Panofsky
David Calleo Bennett Johnston Christian Patte
Richard T. Davies Carl Kaysen Richard Pipes
Jonathan Dean Spurgeon Keeny Robert E. Pursley
Paul Doty James Leonard George Rathjens
Susan Eisenhower Edward Luttwak Stanley Resor
David M. Evans Michael Mandelbaum John Rhinelander
David Fischer Jack F. Matlock Jr. John J. Shanahan
Raymond Garthoff C. William Maynes Marshall Shulman
Morton H. Halperin Richard McCormack John Steinbruner
Owen Harries David McGiffert Stansfield Turner
Gary Hart Robert McNamara Richard Viets
Arthur Hartman Jack Mendelsohn Paul Warnke
Mark Hatfield Philip Merrill James D. Watkins
John P. Holdren Paul H. Nitze

> https://www.armscontrol.org/act/1997-06/arms-control-today/opposition-nato-expansion

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