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  • Der Psychater

423 Beiträge seit 05.04.2020

Völkischerm Imperialismus liegt kein rationales Sicherheitsbedürfnis zugrunde

Mir erscheinen die Beiträge aus einer Zeit vor dem russischen Angriffskrieg. Das Heranrücken der NATO an Russland, der Verzicht auf sicherheitspolitische Zugeständnisse an Moskau, die militärischen Provokationen, der Bruch von Abrüstungsvereinbarungen: das alles wurde viel kritisiert und auch innerhalb der NATO gab es Uneinigkeit. Ein Beitritt der Ukraine zur NATo würde (und wird) abgelehnt.

Die Autoren gehen über die Kriegsrede von Putin vom 24.2.2022 hinweg, in welcher er einen historisierend-völkischen Anspruch auf Moskaus natürlicher Führungsrolle proklamierte und (zunächst) Belarus und der Ukraine die Souveränität als Staat absprach. Dahinter verbirgt sich ein Panslawismus des 19. Jahrhunderts, welcher die Einschränkung von Souveränität der osteuropäischen Staaten beinhaltet. Die Autoren gehen davon aus, dass Putins Angriffskrieg ein rationaler militärischer Akt in einer Eskalationsspirale wäre, der als Ultima Ratio zur Durchsetzung der russischen Sicherheitsinteressen vermeidbar gewesen sein könnte.

Nun bedeutet jedoch der Angriffskriege auf die Ukraine die Vernichtung der europäischen Sicherheitsarchitektur durch schwerwiegenden Bruch von vielen Verträgen und Konventionen. Erstaunlich, dass russlandpolitische Theoretiker dies als logische, rationale Konsequenz der Eskalation einer NATO-Bedrohung analysieren. Die Konsequenz des Angriffskriegs ist doch gerade die Zerstörung von Sicherheit für Moskau. Klar, dass europäische Staaten der NATO beitreten möchten, die bisher nicht Mitglied des Bündnisses waren. Klar auch, dass die NATO ihre militärischen Stellungen an ihrer Ostgrenze ausbaut, dass massiv aufgerüstet wird, dass Diplomatie kaum mehr eine Rolle spielen wird, was die Gefahr von Kriegen aus Versehen erhöht.

Putins Kriegsrede lässt den rationalen Beobachter daran zweifeln, ob es Russland in erster Linie um seine Sicherheit geht, oder ob der völkische Imperialismus aus dem 19. Jahrhundert Priorität hat. Moskau tut so, als wären die russischen Absichten deutlich. Dem ist aber nicht so. Weder werden die Grenzen und die Souveränität von Staaten akzeptiert, noch ist Aufrichtigkeit und Wahrheit ein Leitmotiv der russischen Außenpolitik. Die Negierung von Völkerrecht geht so weit, dass Moskau es für angemessen hält, dass Despoten in russischen Gnaden auf Lebenszeit nach Belieben Wählen fälschen, den Willen der großen Mehrheit ihrer Völker missachten und die Bevölkerung mit abscheulichen Gewalt unterdrücken, wie das Lukarschenko tut und was wohl der ursprüngliche Plan für Kiew war. Die aktuellen Kriegsverbrechen machen deutlich, dass die russische Regierung keinen Respekt vor dem Leben, die Kultur und die Zivilisation hat, weder hinsichtlich anderer Staaten, noch bezüglich der eigenen.

Falls es Realität sein sollte, dass die USA und die NATO eine Eskalation betrieben hätten, auch durch Unterstützung von Farben-Revolutionen, so dass Russland da in eine Falle gelockt oder getrieben worden wäre, dann träfe es auch zu, dass genau dadurch Putin als menschenverachtender Schlächter und völkisches Imperialist, der dem Zarentum nahesteht, demaskiert worden wäre. Völkischem Imperialismus liegt keine Rationalität im Sinne von Klausewitz zugrunde, sondern das ist eine konstruierte Wahnvorstellung, die sich rationaler Analyse entzieht. Völkischer Imperialismus, Despotismus und Kriegsverbrechertum ist kein Wahn, der sich aufgrund der Aktionen der NATO sich entwickelte, sondern eine grundlegende extrem problematische Disposition hinsichtlich Frieden und Sicherheit, völlig unabhängig vom Verhalten der USA oder der NATO oder sonst wem.

Offensichtlich scheinen die genannten Autoren dieser irrationalen Realität nicht gewachsen, wenn sie sie ignorieren.

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